Klage gegen Bundesnachrichtendienst von Reporter ohne Grenzen
Reporter ohne Grenzen wirft dem Bundesnachrichtendienst die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses vor und wehrt sich juristisch. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union beklagt Bespitzelung des Nachrichtenmagazins Spiegel durch US-Behörden. Beiden geht es um Informantenschutz und Pressefreiheit.
Reporter ohne Grenzen wirft dem Bundesnachrichtendienst (BND) vor, den E-Mail-Verkehr der Organisation mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen ausgespäht zu haben. Der BND hatte im Jahr 2013 im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung hunderte Millionen Mails mit Suchbegriffen durchforstet und mehr als 15.000 davon genauer untersucht. Reporter ohne Grenzen (ROG) geht davon aus, dass dabei auch zahlreiche Mails der Organisation erfasst wurden. Denn ROG stand im fraglichen Zeitraum in regem Austausch mit zahlreichen Journalisten und zivilgesellschaftlichen Akteuren, auch über Themen wie die Tätigkeit von Geheimdiensten. Deshalb hat ROG am 30. Juni 2015 Klage gegen den BND beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht.
Reporter ohne Grenzen ist nach eigenen Angaben ein regelmäßiger und wichtiger Ansprechpartner für Journalistinnen und Journalisten aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China. Journalisten wenden sich an die Organisation mit vertraulichen Informationen und schutzwürdigen Anliegen. „Die Ausforschung der Kommunikation durch den BND bedeutet, dass sich Journalistinnen und Journalisten mit ihren persönlichen Anliegen nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt”, warnt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
Ohne gesetzliche Grundlage.
Die Klage von ROG richtet sich auch gegen den Einsatz des Verkehrsanalysesystems VerAS. Mit diesem Programm erhebt und verarbeitet der BND seit 2002 Metadaten auch von deutschen Bürgern, die im Zusammenhang mit ihrer Kommunikation anfallen. Telefonverbindungen, SMS und E-Mails, das Surfen im Internet und die Nutzung sozialer Netzwerke werden erfasst. VerAS soll dazu dienen, Beziehungen zwischen Terrorverdächtigen zu erkennen und Netzwerke oder Pläne aufzudecken. Da dieses Verfahren so umfassend angewendet wird, können auch Journalistinnen und Journalisten erfasst werden, die nur indirekt und über bis zu vier weiteren Kommunikationspartnern mit einem Terrorverdächtigen in Verbindung gebracht werden können. Der BND erfasst auf diese Art nach eigener Angabe rund 500 Millionen Metadaten pro Monat. ROG beklagt, es gäbe keinerlei gesetzliche Grundlage für diese Datensammlung und -analyse und fordert deshalb die sofortige Einstellung.
Informantenschutz in Gefahr.
Journalismus lebt von Informanten. Deshalb genießen Journalisten in Deutschland und anderen demokratischen Ländern ein Zeugnisverweigerungsrecht, das sie dazu berechtigt, gegenüber Ermittlungsbehörden die Quellen ihrer Recherche zu verschweigen. Auch der Kommunikationsverkehr von Journalisten steht unter einem besonderen Schutz. „Angesichts der Überwachung ist der Informantenschutz für Journalisten nicht mehr garantiert und die freie Berichterstattung in Deutschland bedroht”, so Mihr von ROG. „Den Medien ist es nicht mehr ausreichend möglich, ihrer Rolle als vierte Gewalt in einer demokratischen Gesellschaft nachzukommen.” Ohne Informantenschutz, bestätigt auch die Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Cornelia Haß, sei „journalistisches Arbeiten im Sinne unabhängiger und kritischer Medien nicht möglich”.
Spiegel ausgespäht.
Haß reagiert damit auf Berichte des Spiegels, das Nachrichtenmagazin sei von US-Geheimdiensten ausspioniert worden. Der CIA soll 2011 Erkenntnisse aus seiner Überwachung an das Bundeskanzleramt weitergegeben haben. Der Spiegel hat Anzeige bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erstattet (inzwischen auch das Handelsblatt, Red.). Haß befürchtet, dass das nur die Spitze des Eisberges sein könnte und noch mehr Medien von Bespitzelung durch Geheimdienste betroffen seien. Sie warnt vor einer massiven Verletzung von Grundrechten.
Reporter ohne Grenzen und die dju mahnen eine umfassende Kontrolle der Geheimdienste an. „Es darf keine Überwachungsmaßnahmen ohne gesetzliche Grundlage geben, weder im In- noch im Ausland”, fordert ROG. Durch die Anzeige des Spiegels sei zu hoffen, so Haß von der dju, dass alle Fakten bekannt würden. Doch die Erfahrung mit einer bereits 2014 eingereichten Klage des Chaos Computer Clubs (CCC) zeigt einmal mehr, dass die Mühlen der Justiz langsam mahlen. CCC hatte gemeinsam mit Digitalcourage e.V., der Internationalen Liga für Menschenrechte und anderen Organisationen und Einzelpersonen wegen der NSA-Spähaffäre Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Anfang Juni, mehr als ein Jahr nach Anzeigenerstattung forderte der CCC den Generalbundesanwalt auf, endlich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Bislang ohne Erfolg.