Können Maschinen auch Urheber sein?

Bei diesem Affen sind die Urheberrechte unstrittig: Die Graffity-Wand in Berlin-Moabit wurde von der multikulturellen Künstlergruppe 21er Gallery geschaffen. Foto: Sabine Kebir

Künstliche Intelligenzen (KI) malen Bilder, schreiben Texte und komponieren Lieder. Handelt es sich dabei um „Schöpfungen“, die urheberrechtlich geschützt sein können? Unter dem Motto „Künstliche Intelligenz und Urheberrecht in Deutschland und Europa“ beschäftigte sich der 5. Kongress Urheberrechtspolitik am Potsdamer Erich-Pommer-Institut mit den Fragen von Regulation und Bewertung von KI in kreativ-künstlerischen Schaffensprozessen.

Ein Affe macht ein Selfie, das Bild geht um die Welt – was folgt, ist ein jahrelanger Urheberrechtsstreit darüber, wem die Bildrechte gehören. Dem Affen? Oder dem Besitzer der Kamera? Das berühmte Beispiel griff Tabea Rößner gleich zu Beginn auf. Die netzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen ist Mitglied der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ der Bundesregierung. Rößner machte deutlich, wie wichtig die Frage nach Werk und Werkzeug ist und wie uneindeutig sie schon ohne die Nutzung von Algorithmen sein kann. Man brauche in jedem Fall einen regulierten Rahmen zum Einsatz von KI, sagte Rößner und begrüßte die kürzlich von der EU erarbeiteten Verordnungsvorschläge: „Die KI kann keine Verantwortung tragen. Das kann nur der Mensch.“ Die Politik hänge dabei allerdings der Technik hinterher, bemängelte die Politikerin.

Die Frage, ob an KI-generierten Schöpfungen überhaupt Urheber- oder Leistungsschutzrechte entstehen können, wird derzeit viel diskutiert. Das Urheberrecht gehört bislang eigentlich automatisch der natürlichen Person, die das Werk geschaffen hat, nämlich der Urheber*in. So urteilten die Gerichte auch im Falle des Affen, der keine Urheberrechte an seinem Selfie besitzt.

Einzelfallprüfung erforderlich

Mit der Künstlichen Intelligenz wird die Frage jedoch komplexer. Die Teilnehmer*innen des Kongresses beschäftigte die Frage der Rechtszuordnung unter den veränderten Bedingungen. Wenn Rechte bei einem künstlich erzeugten Werk entstünden, wem würden sie dann zustehen? Der Entwickler*in des automatisierten Systems oder des Algorithmus? Dessen Arbeitgeber*in? Oder der KI selbst? Da die Anwendungsbeispiele divers und der Anteil von KI an den jeweiligen Entstehungsprozessen unterschiedlich gewichtet sei, bedürfe es jeweils einer Einzelfallprüfung, sagte Dr. Johannes Christian Wichard vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Schreibt beispielsweise eine KI einen längeren Nachrichtentext, der dann von einer Redakteur*in umfangreich stilistisch und sprachlich überarbeitet wird, kann die Journalist*in an der editierten Fassung ein Urheberrecht besitzen. Dr. Christian Heinze von der Universität Heidelberg machte deutlich, dass auch nicht alle automatisierten Anwendungen KIs sind. Das Beispiel des automatisch geschriebenen Berichts von der Begegnung zweier Fußballmannschaften sei beispielsweise kein Erzeugnis einer KI. „Es handelt sich bei der Anwendung nämlich nicht um neuronale Netze“, begründete der Jurist. Die eingesetzte Technologie basiere auf einer Kombination von Datenbasis – z.B. Wetterdaten oder Fußballergebnisse – und vorgefertigten Sprachtemplates. Daten würden dann einfach nach Relevanz gefiltert und die Darstellung und Anordnung sowie die Satzstruktur und Grammatik hinzugefügt. Der Text sei zwar automatisch, aber nicht eigenständig verfasst worden. Ein Unterschied, der im Urheberrecht entscheidend sein kann.

Die Frage, wer bei der „Schöpfung“ die wesentlichen Gestaltungsentscheidungen getroffen habe, sei ausschlaggebend für die Urheberschaft, bekräftigte Heinze. Deshalb müsse man im Einzelfall den Erzeugungsprozess eines Produktes betrachten, argumentierte auch Wichard. Eventuell sei eine Kennzeichnung bei Produkten möglich, die ausschließlich von KI erstellt wurden. Solche Werke könnten dann urheberrechtlich nicht geschützt werden.

Definition mit EU-Verordnung

Neben den rechtlichen Fragen, beschäftigte die Diskutant*innen auch die möglichen schöpferischen Potenziale von KI. Kann eine Maschine etwas bahnbrechend Neues und Außergewöhnliches erschaffen? Ramak Molavi Vasse’i äußerte sich skepeptisch über das kreative Potential: „Das wäre reiner Zufall“, sagte die Rechtsanwältin für digitale Rechte.

Auf der europäischen Ebene wurde nun erstmals der Versuch unternommen, überhaupt zu definieren, was eine KI ist. Das ist auch nötig, denn die EU-Kommission will die Entwicklung fördern und gleichzeitig kritische Anwendungsfälle verbieten oder strengeren Regeln unterwerfen. Am 21. April präsentierte die für Digitalisierung zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager einen Plan, wie EU-Regierungen die Technologie unterstützen können. Außerdem stellte sie einen Verordnungsvorschlag vor. Diesem müssen EU-Parlament und Mitgliedstaaten noch zustimmen. Die Verordnung würde dann in den Ländern gelten und dort den Einsatz von KI regeln. Im Vergleich zu früheren Entwürfen verschärfte die Behörde das Gesetz. So wurde zum Beispiel die Strafe bei schweren Verstößen von ursprünglich vier auf bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes festgesetzt.

Stärkere Regelungen oder gar Strafen forderten die Teilnehmer*innen der Konferenz für den Bereich des Urheberrechts hingegen nicht. Die Beteiligten sahen keinen juristischen Handlungsbedarf. Das Urheberrecht regele bislang ausreichend alle wichtigen Fragen. Auch der Einsatz von KI ändere daran im Moment nichts, fasste Moderator Ulrich Michel abschließend zusammen. Die Frage, wie der gesellschaftliche Umgang mit KI künftig aussehen soll, blieb dabei unbeantwortet.

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