Mehrere Journalist*innen, die mit einer Delegation von Düsseldorf in den Irak unterwegs waren, wurden am 12. Juni in Erbil von irakischen Sicherheitsbehörden festgehalten. Die Deutsche Journalistinnen und Journalisten-Union (dju) in ver.di forderte eine umgehende Intervention durch deutsche Behörden. Nach jüngsten Informationen wurden die Journalist*innen, darunter vier dju-Mitglieder, am Folgetag zwar ausgeflogen, die Gewerkschaft sieht aber weiter Klärungsbedarf.
„Was wir wissen ist, dass mindestens drei Journalist*innen direkt nach ihrer Ankunft in Erbil festgesetzt wurden. Was wir nicht wissen, ist, wie es ihnen geht, was ihnen vorgeworfen wird, wann sie freikommen und welche Rolle die deutschen Behörden in dieser Angelegenheit spielen,“ sagt Tina Fritsche, Landesgeschäftsführerin der dju in ver.di Hamburg/Nord am Abend des 12. Juni. Der Kontakt zu den Pressevertreter*innen sei stundenlang abgebrochen gewesen.
Die Pressevertreter*innen gehören zu der Gruppe von Parlamentsabgeordneten, Journalist*innen und anderen Teilnehmenden, die am 12. Juni als Delegation auf dem Weg zum Friedenskongress in den kurdischen Autonomiegebieten nach Erbil fliegen wollte. Ein Teil der Delegation wurde am Morgen in Düsseldorf von der Bundespolizei aufgehalten und verhört, sodass mehrere Personen ihren Flug verpassten – darunter auch die Vorsitzende der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft, Cansu Özdemir.
Die Bundespolizei sah laut einem von Özdemir geposteten Foto einer „Ausreiseuntersagung“ einen Zusammenhang zwischen Informationen deutscher Sicherheitsbehörden über eine „menschliches Schutzschild“ genannte Aktion PKK-naher kurdischer Vereine in Erbil und der geplanten Reise. Özdemir wies das zurück. Eine Sprecherin der Bundespolizei soll laut Presseinformationen als Anlass für die „grenzpolizeiliche Befragung“ eine mögliche Gefährdung der Sicherheitsbelange der Bundesrepublik Deutschland im Ausland angegeben haben.
Ein anderer Teil der Gruppe, darunter Journalist*innen, flog wie geplant nach Erbil, wurde jedoch dort von irakischen Sicherheitsbehörden festgesetzt und am folgenden Tag nach Deutschland zurückgeschickt.
Tina Fritsche fordert für die dju dringend Aufklärung, zumal sich „die Festsetzung der Delegationsteilnehmenden sowohl in Düsseldorf als auch in Erbil als abgestimmte Aktion der deutschen und irakischen Behörden darstellt“.
Aktualisierung am 14. Juni:
dju in ver.di fordert Aufklärung
In einer Pressemitteiling zeigt sich dju in ver.di erleichtert, dass die im Irak festgesetzten Journalist*innen am Sonntag nach Deutschland zurückkehren konnten, fordert jedoch Aufklärung über die konkreten Umstände des Vorfalls:
„Viele Fragen bleiben offen. Woher hatten die irakischen Sicherheitskräfte am Flughafen in Erbil die Namensliste, anhand derer sie die Journalist*innen bei der Einreise gezielt herausgezogen haben? Welche Rolle spielen hierbei die deutschen Behörden? Und mit welcher Begründung wurden die Pressevertreter*innen daran gehindert, ihrer Arbeit nachzugehen?“, fragt Tina Fritsche, Landesgeschäftsführerin der dju in ver.di in Hamburg/Nord.
Fritsche erinnert in diesem Zusammenhang an den Skandal rund um die entzogenen Akkreditierungen beim G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg. Damals habe das Bundespresseamt mehreren Journalist*innen auf Grundlage von angeblichen Erkenntnissen des Verfassungsschutzes die Akkreditierung entzogen und dabei mit einer Namensliste agiert. Die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens sei im Nachhinein gerichtlich festgestellt worden. Die Frage, wieso überhaupt und in welchen behördlichen bzw. geheimdienstlichen Kanälen berufliche Informationen über Pressevertreter*innen gesammelt und intrabehördlich kommuniziert wurden, habe allerdings bis heute nicht geklärt werden können, so Fritsche.
„Wenn Recherchen in schwierigen Lagen wie etwa in Krisengebieten dazu führen, dass Medienschaffende in Deutschland kriminalisiert und bei ihrer Berufsausübung behindert werden, ist das grundsätzlich inakzeptabel“, stellt die Landesgeschäftsführerin der dju in ver.di klar. Die in Erbil festgehaltenen Journalist*innen seien zwar zurück in Deutschland, ihrer geplanten Berichterstattung aus den im Nordirak liegenden kurdischen Gebieten konnten sie jedoch nicht nachgehen. „Wir befürchten zudem, dass die Namen der aus dem Irak verwiesenen Journalist*innen nun in Datenbanken deutscher Sicherheitsbehörden landen, wo sie nicht hingehören“, warnte Fritsche. Dies müsse dringend aufgeklärt bzw. verhindert werden.