Cyberattacken gegen Alternativmedien

Screenshot: lamarea.com

„Ein kalter Freitagnachmittag mit einem heißen Kaffee in der Hand bei der Bekämpfung von Angriffen. Wenn es morgen so weitergeht, werden wir wohl zum Wein übergehen“, lautet die Twitternachricht, mit der die Informatiker des Providers Nodo50 am 19. November bekannt gaben, dass die Internetauftritte mehrerer spanischer Zeitschriften schweren Cyberattacken ausgesetzt sind. Die Website der Zeitschrift „La Marea“ funktionierte stundenlang überhaupt nicht. Gleichzeitig wurde bekannt, dass es – neben einigen weiteren kleineren, unabhängigen Medien – auch die Kollegen von „El Salto“ getroffen hatte.

Beide Zeitschriften wurden Opfer sogenannter DDoS-Angriffe. „Die bestehen darin, die Zugriffe auf eine bestimmte Seite so stark zu erhöhen, dass sie zusammenbricht“, erklärt „La Marea“-Herausgeberin Magda Bandera. Die Zeitschrift „La Marea“ orientiert sich am Genossenschaftsmodell der deutschen Tageszeitung „taz“. „El Salto“ ist das Ergebnis des Zusammenschlusses mehrerer regionaler sowie feministischer und kultureller Alternativmedien zu einer Zeitschrift. Beide erscheinen auf Papier, unterhalten aber auch aktuelle Online-Auftritte.

„Am Samstag (20.11.) kollabierte unser Internetauftritt vollständig“, berichtet die Herausgeberin von „La Marea“. „Es traf uns, als wir zusammen mit El Salto eine Abo-Kampagne starteten“, sagt Bandera. „Gemeinsam gegen den Hass“, heißt dafür der Slogan. Seit die rechtsextreme VOX vor knapp drei Jahren als drittstärkste Partei aus den Parlamentswahlen hervorging, nehmen in Spanien die Übergriffe zu auf Menschen aus dem LGTBI-Spektrum, auf Immigranten und auf alles, was vermeintlich nicht in das rechte Bild einer Mehrheitsgesellschaft passt. Auf Twitter bekannte sich ein User, dessen Account-Namen nur aus Zahlen bestand, zu den Angriffen. Mittlerweile ist das Konto wieder gelöscht.

„Jedes Mal wenn wir einen Teil der Website wieder zum Laufen bringen und dies bekannt wird, kommt ein neuer Angriff“, so Bandera am Montag nach dem katastrophalen Wochenende. Sie hofft, dass die Informatiker das Problem bald in den Griff bekommen. Sowohl „La Marea“ als auch „El Salto“ haben ihre Seiten beim alternativen Provider Nodo50 auf den Servern. Nodo50 entstand in den 1990er Jahren, damals noch als Nachrichtengruppe und dann als einer der ersten email-Provider Spaniens.

Die Kampagne gegen linke und alternative Medien in Spanien begann bereits in der zweiten Novemberwoche. Damals wurde erstmals „La Última Hora“, ein der linksalternativen Unidas Podemos (UP) nahestehendes Nachrichten-Medium attackiert. UP ist einer der beiden Koalitionspartner der Regierung des Sozialisten Pedro Sánchez. „Die Cyberattacken sind die neue Methode der Mächtigen, um die Meinungsfreiheit zu beenden“, erklärt die Chefin von „La Última Hora“, Dina Bousselham, auf Twitter. „Kaos En La Red“, eine linke Website mit längeren analytischen Texten und Debattenbeiträgen, verzeichnete ebenfalls „einige, immer wieder auftretenden Probleme beim Zugriff auf die Seite“. Auch der regionale Webauftritt „Arainfo“ aus Aragonien wurde angegriffen.

Die Plattform Unabhängiger Medien (PMI), der sowohl „La Marea“ als auch „El Salto“ angehören, fordert eine sofortige polizeiliche Untersuchung der Vorfälle. „In der Vergangenheit war es üblich, dass Gruppen von Provokateuren in Druckereien, in denen unbequeme Zeitungen gedruckt werden, eindrangen und die Produktionsmittel angriffen. Heute sind es DDoS-Angriff“, heißt es in der PMI-Erklärung.

 

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »