Freche Kopien

Urheberrechte im non-fiktionalen TV-Bereich auf dem Prüfstand

Autoren, Journalisten, Werber und Produzenten kennen das Problem: Sie haben eine gute Idee für eine Reportage, einen Slogan, eine Kampagne, einen Roman oder eine Fernsehshow. Doch nach der Themenvorstellung bei einem möglichen Abnehmer herrscht nach anfänglicher Begeisterung plötzlich Funkstille. Monate später findet sich die vorgestellte Idee identisch oder doch irgendwie ähnlich wieder auf dem Medienmarkt, als freche Kopie.

Auch dem 43-jährigen Marcel Juegel, tätig unter anderem als TV-Formatentwickler, ist es so gegangen, so beklagt er zumindest. Im Jahr 2003 habe er die Idee zu einer Fußballcasting-Show gehabt, das Konzept an das DSF geschickt. Danach habe er nie wieder etwas gehört, aber einige Jahre später genau das TV-Konzept im Programm wieder gefunden. Das DSF und deren Kooperationspartner Beiersdorf hätten seine Idee geklaut, sagt Juegel. Gemeinsam mit dem Münchner Medienanwalt Marc Heinkelein hat er im Juli dieses Jahres am Landgericht München I Klage eingereicht und fordert von beiden Unternehmen die Herausgabe des erzielten Gewinns – und könnte damit eine branchenweit wichtige Rechtssprechung auslösen.
Denn die verwertete Idee dürfte lukrativ gewesen sein für den Spartensender. Im DSF wurde das Ganze präsentiert von der Marke Nivea. Auch solche „crossmediale Verwertungsstrategien“ seien in seinem Konzept vorgesehen gewesen, sagt Juegel. Bei ihm – und dann auch im DSF – geht es darum, Männern einen Jugendtraum zu erfüllen: einmal im Leben als Fußballprofi in ein großes Bundesligastadion einzulaufen und gegen ein Profi-Star-Ensemble anzutreten. Spieler sollen öffentlich gecastet und von einem „Star-Trainer“ auf den großen Abend, das „Spiel Deines Lebens“, vorbereitet werden. In der Branche werden gute Ideen immer wieder gerne kopiert, also hatte sich Juegel, wie viele andere Autoren und Entwickler, abzusichern versucht. Sein Konzeptpapier hinterlegte er, wie in der Branche üblich, im Juni 2003 bei der Writers Guild of Germany (WGG) und der Format Recognition and Protection Association (FRAPA).
Ende Juni 2003 übersandte er das zehnseitige Treatment dann nach telefonischer Absprache an die Programmabteilung des DSF – ordentlich dokumentiert per Einschreiben. „Danach habe ich nie wieder etwas von dem Sender gehört“, beklagte sich Juegel. Weder sei sein Konzept abgelehnt, noch zurückgeschickt worden.

Auf unsicherem Boden

Stattdessen fand er Anfang 2007 in Anzeigen und Berichten den Aufruf „Nivea for Men – Kicken gegen die Profis“. Mario Basler und der Entertainer Elton würden als Trainer kommen – und der HSV als Gegner bereitstehen. Schließlich landete auch noch die Aufforderung in seinem Mail-Postfach, doch mitzuspielen bei der Show: „Lieber Marcel Juegel“, heißt es in einem Newsletter, „nur noch wenige Tage, und die Bewerbungsfrist für das Spiel gegen den HSV läuft ab. Also: Jetzt bewerben! Übrigens: Nach dem Training kommen Sie mit den neuen Pflegeduschen ,For Men’ wieder auf Touren.“
Am 7. Juli 2007 kickte die Nivea-Auswahl dann tatsächlich gegen den Hamburger Sportverein. Der Fussballclub erhielt verschiedenen Medienberichten zufolge übrigens 150.000 Euro – Juegel selbst aber nichts. Zwischen Ende Juli und Mitte August 2007 wurden die vier Doku-Sendungen dann im DSF ausgestrahlt.
Offenbar war die TV-Show ein Erfolg. Im November 2008 veranstaltete Beiersdorf auch noch in Kroatien eine identische Serie, wie Juegel beklagt: „Nivea for Men – Nogometni Zazov“, hieß die Reihe, produziert zusammen mit dem dortigen RTL-Ableger.
Juegel und sein Anwalt Heinkelein sind sich sicher, dass alles zu Unrecht abgekupfert wurde. Eine 16 Seiten umfassende Tabelle mit den Gemeinsamkeiten liegt der Klageschrift bei, für die eine Streitwert von 100.000 Euro angesetzt ist.
Die beiden Beklagten wollen übrigens nicht ausführlich Stellung nehmen zu dem Vorwurf. Allerdings betont das Unternehmen Beiersdorf, dass man „unabhängig von dem vorliegenden Fall“ selbstverständlich geistiges Eigentum respektiere und „gerade als Markenartikler“ darauf achte, dass Urheberrechte in jedem Fall geschützt werden.
Ob Juegel Erfolg hat, ist nicht sicher. Das Terrain Urheberrecht ist in Deutschland gerade im non-fiktionalen TV-Bereich nicht völlig klar. Vor allem seit einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2003 stehen Entwickler auf unsicherem Boden. Damals hatte der Bundesgerichtshof bestritten, dass sich die Reihe „Kinderquatsch mit Michael“ unzulässig an das französische Format „L’école des fans“ anlehne. Eine „Anleitung zur Formgestaltung“ – also ein Showkonzept – sei keine schöpferische Arbeit im Sinne des Urheberrechtsgesetzes und damit nicht schützbar, hieß es in der Begründung.
„Die Frage, ob das Konzept zu einer Fernsehshow rechtlich geschützt ist, ist spätestens seitdem ausgerechnet in Deutschland, dem Vorreiter des Schutzes geistigen Eigentums umstritten“, sagt Anwalt Heinkelein, der den Fall – finanziert durch nicht namentlich bekannte Dritte – deswegen als Musterprozess aufziehen will. „Wenn Ideen dauernd geklaut werden, dann muss man sich nicht wundern, wieso es kein kreatives Fernsehen mehr in Deutschland gibt.“ Eine Klage, die ähnlich übrigens auch Vertreter der Werbebranche führen. Auch sie haben jüngst eine Anpassung des Urheberrechts gefordert. „Ideen sind Kapital. Auch für Werbekonzeptionen brauchen wir den Schutz der kreativen Leistung“, erklärte Peter John Mahrenhol vom Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA beim Internationalen Mediendialog in Hamburg.
Allen Urhebern von Ideen rät Medienanwalt Heinkelein übrigens die Arbeit gut abzusichern, um damit – wie im wohl kommenden Prozess – die Beweisführung antreten zu können: „Beim eigenen Anwalt kann man Konzepte kostenlos hinterlegen, oder man schickt sich das Papier per Einschreiben an die eigene Adresse und lässt den Brief ungeöffnet“, lautet der pragmatische Ratschlag. Und natürlich gebe es auch noch Institutionen, die bei der Beweisführung helfen, wie die Format Recognition and Protection Association (FRAPA), die Juegel genutzt hat.

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