Der Streit um das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und dessen Durchsetzung gegenüber Plattformen wie Facebook und Google dauert an. Die Verlage bestehen darauf, am Milliardenumsatz der Internet-Konzerne, der nicht unwesentlich durch ihren angezeigten Content generiert wird, beteiligt zu werden.
Erst im März hatte Google der Verwertungsgesellschaft Corint Media, die rund ein Drittel der deutschen Presseleistungsschutzrechte vereint, eine Zahlung von 3,2 Millionen Euro angeboten. Gefordert werden jedoch 420 Millionen Euro jährlich. Ein derzeit laufendes Verfahren des Bundeskartellamts gegen Googles Nachrichtenangebot Google News Showcase (GNS) soll mehr Klarheit bringen.
Ziel des Leistungsschutzrechtes ist es, Presseveröffentlichungen von Verlagen zu schützen, weil sie nach dem Urheberrechtsgesetz das alleinige Recht für die kommerzielle Verbreitung von Artikeln oder ihrer Teile im Internet besitzen. Wollen Internetanbieter – und im Blick steht vor allem Google – diese nutzen, kann der Verlag dafür einen finanziellen Ausgleich fordern. Bereits der Gesetzentwurf war in Deutschland umstritten. Lange Zeit wurde debattiert, wie groß die zur kostenlosen Veröffentlichung genutzten Textausschnitte – Snippets – sein dürften. Es geht es darum, dass Traffic auf die Seiten der Verlage geleitet werden soll – die Basis für Anzeigen und Abos. ver.di forderte in der damaligen Debatte, dass nicht nur Verlage berücksichtigt werden dürften, sondern auch die Urheberinnen und Urheber dieser Inhalte angemessen an den Einnahmen beteiligt werden müssten. Ihnen sollten mindestens 50 Prozent der Einnahmen zustehen.
2013 wurde das Leistungsschutzrecht national auf den Weg gebracht. Richtige Wirkung entfaltet es nach Ansicht von Corint Media aber erst, seitdem die Novelle auf Basis der EU-Copyright-Richtlinie am 21. Juni 2021 in Kraft getreten ist.
Trotz anfänglicher Zahlungsverweigerung durch Google suchten und suchen viele Verlage einen Weg der Einigung mit den Webriesen, weil Reichweite und Auffindbarkeit für viele entscheidend sind. Immerhin hatte Google zunächst damit gedroht, im Falle von Entgelten die Verlage aus der Suchmaschine zu entfernen. Man sah dann doch lieber den Spatz in der Hand statt der Taube auf dem Dach. Im März hatte Google nach Angaben der Verlegerverbände mit knapp 20 der über 1.000 Presseverleger hierzulande einen Lizenzvertrag für das Leistungsschutzrecht abgeschlossen. Dazu zählen „Der Spiegel“, „Die Zeit“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Rheinische Post“ oder der „Tagesspiegel“.
Gespräche stocken
Die Verwertungsgesellschaft Corint Media beschwört den kollektiven Ansatz, bislang jedoch ohne Erfolg. Mittlerweile hat sie 301 Wahrnehmungsverträge für das Presseleistungsschutzrecht. „Google nutzt ganz kühl die Situation aus, in der sich viele Verlage befinden“, erklärte Geschäftsführer Christoph Schwennicke. Wobei auch „der exorbitant gestiegene Papierpreis eine ganz unselige Rolle“ spiele. Je größer die Verlage, umso mehr glaubten sie, es allein schaffen zu können.
Als Lizenzgebühr fordert Corint Media von Google 420 Millionen Euro jährlich. Sie geht dabei von nach eigenen Worten moderaten elf Prozent des Umsatzes aus. Die Summe ergebe sich aufgrund des geschätzten Google-Umsatzes in Deutschland in Höhe von 12,4 Milliarden Euro. Das Angebot des Konzerns liegt mit 3,2 Millionen Euro weit darunter. „Auf den gesamten Markt übertragen, würde Google damit rund zehn Millionen Euro für die deutschen Presseleistungsschutzrechte anbieten“, stellte Corint Media nüchtern und ernüchtert fest. Das entspräche einem Lizenzsatz von 0,1 Prozent. Schwennicke wie auch sein Co-Geschäftsführer Markus Runde sprachen in einer Pressemitteilung Anfang März von einem „Schlag ins Gesicht für die Presse in Deutschland“. Seitdem stocken die Gespräche.
Im Übrigen hat sich Google in Österreich mit 100 Medienhäusern auf eine Interimsvereinbarung verständigt. Allerdings hatte Google mehr als 400 Verlagen ein Angebot unterbreitet. Deren Inhalte tauchen nunmehr nur noch als Link und Schlagzeile in der Suche auf. Wie „Oberösterreichische Nachrichten“ schreibt, erwirtschaftete Google 2020 in Österreich 4,5 Millionen Euro durch Klicks auf Anzeigen bei nachrichtenbezogenen Suchanfragen.
Von Facebook kam erst gar kein Angebot, sondern eine glatte Absage: Hier hatte Corint Media 190 Millionen Euro gefordert. Das Unternehmen Meta, zu dem Facebook gehört, erklärte, von den Nutzern eingestellte Inhalte seien „entweder vom Schutz ausgenommen oder durch die von den jeweiligen Rechteinhabern erteilten Genehmigungen abgedeckt“. Zahlungsforderungen seien deshalb unbegründet.
Ohne akzeptables Ergebnis blieben auch fast zweijährige Gespräche mit Microsoft zur Suchmaschine Bing. Corint Media will hier seine Forderungen nunmehr gerichtlich durchsetzen. Anders als bei Alphabet (Google) sowie Meta/Facebook hat aber Bing keine marktbeherrschende Stellung. Deswegen wendet sich die Verwertungsgesellschaft nicht wie bei den anderen an das Kartellamt.
Das Bundeskartellamt prüft
Im Juni 2021 hatte das Bundeskartellamt ein Verfahren zur Prüfung von Google News Showcase (GNS) eingeleitet. GNS bietet Presseverlagen die Möglichkeit, ihre Inhalte in hervorgehobener Stellung zu präsentieren. Die Nachrichtenübersichten werden bei Google News und Google Discover angezeigt. In dem Verfahren geht es nicht unmittelbar um die Zahlungspflicht von Google, sondern „nur“ darum, Google Praktiken zu untersagen, die die Durchsetzung des Verlegerrechts behindern. Das nach einer Beschwerde von Corint Media eingeleitete Verfahren umfasst drei Gegenstände: Google hatte angekündigt, das Angebot in die allgemeine Google-Suche einzubinden. Das Amt befürchtet bei diesem Vorgehen eine Selbstbevorzugung Googles und eine Behinderung konkurrierender Angebote Dritter. Zum zweiten geht es darum, ob die teilnehmenden Verlage unangemessen durch die Vertragsbedingungen benachteiligt werden und ihnen die Durchsetzung des Leistungsschutzrechtes erschwert wird. Zum dritten steht der diskriminierungsfreie Zugang zu GNS auf dem Prüfstand. Im Januar hatte die Behörde dann mitgeteilt, die Verlagsbranche im Verfahren zu konsultieren. Das Kartellamt kann sich auf den §19a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) stützen, wonach Alphabet und damit auch das Tochterunternehmen Google der erweiterten Missbrauchsaufsicht durch die Kartellbehörde unterstellt ist. Danach kann es Google untersagen, von Verlegern unangemessene Vorteile zu fordern.
Um eine Untersagungsverfügung abzuwehren, hat Google dem Amt einen Maßnahmenkatalog angekündigt, den die Verlegerverbände BDZV und MVFP in einem Gutachten unter die Lupe nehmen ließen. Das Gutachten von Professor Thomas Höppner stellt fest, dass Google seine Marktmacht missbrauche, „indem es die Vermittlung von Presseverlegern innerhalb seines Ökosystems sachwidrig vom Abschluss unangemessener Lizenzverträge für die Nutzung von Presseerzeugnissen durch Google abhängig macht und sich so unberechtigte Vorteile im Wettbewerb verschafft“. Die von Google vorgeschlagenen Maßnahmen würden den Missbrauch noch weiter ausbauen und verfestigen. Unvereinbar mit §19a GWB nennt das Gutachten auch die Sogwirkung, die GNS auf Verleger ausübe, sich frühzeitig zu betieligen und dafür unangemessene Lizenzkonditionen in Kauf zu nehmen.
Das Kartellamt gibt zu laufenden Prüfungen keine Auskunft, betonte ein Sprecher auf „M“-Anfrage. Auch ein Ende sei nicht zu benennen, weil es keine festen Fristen gebe. Bis 8. Februar waren ausgewählte Marktteilnehmer befragt worden. Corint Media verspricht sich von einer Entscheidung des Kartellamts eine Neuordnung des Marktes für Presselizenzen. Müsse Google zahlen, müssten das auch alle anderen tun. Die Verwertungsgesellschaft hofft noch vor der Sommerpause auf eine Entscheidung des Bundeskartellamtes.