Die Energiepreise schießen durch die Decke, die Inflation auch. So manch eine Politiker*in wird da kreativ, um die Bürger zu entlasten: Tankrabatt, 9 Euro-Ticket …. Viel zu bürokratisch, dachte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold. Ihre zündende Idee: Wie wäre es, wenn man stattdessen einfach das Kindergeld erhöhen und den Rundfunkbeitrag für ein halbes Jahr aussetzen würde? Klingt doch sozial und zeitgeistig einwandfrei.
Ein lautstarker Bündnispartner war schnell gefunden: „GEZ-Hammer: Grünen-Ministerin fordert Gebühren-Pause“ griff „Bild“, das Sprachrohr und Zentralorgan für die Sorgen der kleinen Leute, den irren Vorschlag begeistert auf. Nun wurde die GEZ schon vor neun Jahren durch den „Beitragsservice“ ersetzt, aber wen kümmern schon derlei Petitessen?
Diese zeitweilige „Aussetzung“ des Beitrags, rechnete Ministerin Heinold vor, würde jedem Haushalt 110,16 Euro sparen. Dass das Beitragsaufkommen von ARD, ZDF und Deutschlandradio dergestalt vier von acht Milliarden Euro schrumpfen würde, mithin die Sender vermutlich ihren Betrieb weitgehend einstellen müssten, nimmt sie offenbar billigend in Kauf. Skelettierung des Rundfunkauftrags? Wegfall von Arbeitsplätzen, Honoraraufträgen, wenn schert`s? Was umso erstaunlicher erscheint, als sich die Grüne Partei doch bislang als überzeugte Verfechterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks profilierte. Könnte der „spannende Vorstoß“ („Bild“) der Ministerin möglicherweise mit dem Wahltermin am 8. Mai zu tun haben?
Vielleicht sollten die Grünen die Ministerin mal mit der Position der eigenen Partei bekannt machen. „Für uns ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein entscheidender Beitrag zum Gemeinwohl, zur regionalen Identitätsstiftung, zur Meinungsbildung und zur öffentlichen Bildung“ – so steht es im Wahlprogramm der Grünen Schleswig-Holsteins unter dem Stichwort „Medien- und Meinungsvielfalt“. Aber Papier ist geduldig und Politiker*innen neigen im Wahlkampf immer mal wieder dazu, mit populistischen Rezepten auf Stimmenfang zu gehen – und sei es am rechten Rand.
Kein Wunder, dass sofort Beifall von Seiten der üblichen Verdächtigen erscholl. Als erster begrüßte Markus Kurze, medienpolitischer Sprecher der CDU Sachsen-Anhalts, Heinolds Vorschlag. Auf maßgebliches Betreiben seiner Partei war Ende 2020 eine mit 86 Cent äußerst moderate Beitragserhöhung blockiert worden. Ein verfassungswidriger Akt, wie Deutschlands höchstes Gericht ein halbes Jahr später befand. Was Kurze und seine Parteifreunde offenbar wenig beeindruckte, wie die jetzige Reaktion nahelegt.
Bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlichen Rundfunks? Davon hält auch die CSU Bayerns nicht allzu viel, in deren Parteiprogramm sich übrigens nach wie vor die Forderung nach einer Fusion von ARD und ZDF befindet. Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der Christlich-Sozialen im Bundestag, will auch an die Finanzen der Sender, würde sich im Rahmen eines „GEZ-Entlastungspakets“ allerdings schon mit einer Aussetzung des Beitrags für drei Monate begnügen. Alles selbstredend zum Wohle der inflationsgebeutelten „Verbraucherinnen und Verbraucher“. Gegenvorschlag: Wie wäre es stattdessen als Einstieg mit einer Rückzahlung der Millionenprovisionen, die CSU-Größen wie Alfred Sauter, Georg Nüßlein und Andrea Tandler zu Beginn der Corona-Pandemie für fragwürdige und überteuerte Maskengeschäfte kassierten? So als Zeichen des guten Willens?