Kreativer Beitragsklau?

Portrait von Günter Herkel

Günter Herkel lebt in Berlin und arbeitet als freier Medienjournalist für Branchenmagazine in Print und Rundfunk.
Foto: Jan-Timo Schaube

Die Energiepreise schießen durch die Decke, die Inflation auch. So manch eine Politiker*in wird da kreativ, um die Bürger zu entlasten: Tankrabatt, 9 Euro-Ticket …. Viel zu bürokratisch, dachte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold. Ihre zündende Idee:  Wie wäre es, wenn man stattdessen einfach das Kindergeld erhöhen und den Rundfunkbeitrag für ein halbes Jahr aussetzen würde? Klingt doch sozial und zeitgeistig einwandfrei.

Ein lautstarker Bündnispartner war schnell gefunden: „GEZ-Hammer: Grünen-Ministerin fordert Gebühren-Pause“ griff „Bild“, das Sprachrohr und Zentralorgan für die Sorgen der kleinen Leute, den irren Vorschlag begeistert auf. Nun wurde die GEZ schon vor neun Jahren durch den „Beitragsservice“ ersetzt, aber wen kümmern schon derlei Petitessen?

Diese zeitweilige „Aussetzung“ des Beitrags, rechnete Ministerin Heinold vor, würde jedem Haushalt 110,16 Euro sparen. Dass das Beitragsaufkommen von ARD, ZDF und Deutschlandradio dergestalt vier von acht Milliarden Euro schrumpfen würde, mithin die Sender vermutlich ihren Betrieb weitgehend einstellen müssten, nimmt sie offenbar billigend in Kauf. Skelettierung des Rundfunkauftrags? Wegfall von Arbeitsplätzen, Honoraraufträgen, wenn schert`s? Was umso erstaunlicher erscheint, als sich die Grüne Partei doch bislang als überzeugte Verfechterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks profilierte. Könnte der „spannende Vorstoß“ („Bild“) der Ministerin möglicherweise mit dem Wahltermin am 8. Mai zu tun haben?

Vielleicht sollten die Grünen die Ministerin mal mit der Position der eigenen Partei bekannt machen. „Für uns ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein entscheidender Beitrag zum Gemeinwohl, zur regionalen Identitätsstiftung, zur Meinungsbildung und zur öffentlichen Bildung“ – so steht es im Wahlprogramm der Grünen Schleswig-Holsteins unter dem Stichwort „Medien- und Meinungsvielfalt“. Aber Papier ist geduldig und Politiker*innen neigen im Wahlkampf immer mal wieder dazu, mit populistischen Rezepten auf Stimmenfang zu gehen – und sei es am rechten Rand.

Kein Wunder, dass sofort Beifall von Seiten der üblichen Verdächtigen erscholl. Als erster begrüßte Markus Kurze, medienpolitischer Sprecher der CDU Sachsen-Anhalts, Heinolds Vorschlag. Auf maßgebliches Betreiben seiner Partei war Ende 2020 eine mit 86 Cent äußerst moderate Beitragserhöhung blockiert worden. Ein verfassungswidriger Akt, wie Deutschlands höchstes Gericht ein halbes Jahr später befand. Was Kurze und seine Parteifreunde offenbar wenig beeindruckte, wie die jetzige Reaktion nahelegt.

Bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlichen Rundfunks? Davon hält auch die CSU Bayerns nicht allzu viel, in deren Parteiprogramm sich übrigens nach wie vor die Forderung nach einer Fusion von ARD und ZDF befindet. Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der Christlich-Sozialen im Bundestag, will auch an die Finanzen der Sender, würde sich im Rahmen eines „GEZ-Entlastungspakets“ allerdings schon mit einer Aussetzung des Beitrags für drei Monate begnügen. Alles selbstredend zum Wohle der inflationsgebeutelten „Verbraucherinnen und Verbraucher“. Gegenvorschlag: Wie wäre es stattdessen als Einstieg mit einer Rückzahlung der Millionenprovisionen, die CSU-Größen wie Alfred Sauter, Georg Nüßlein und Andrea Tandler zu Beginn der Corona-Pandemie für fragwürdige und überteuerte Maskengeschäfte kassierten? So als Zeichen des guten Willens?

 

Weitere aktuelle Beiträge

Digitalabgabe könnte Schieflage ausgleichen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die vom Staatsminister Wolfram Weimer geäußerten Pläne für eine Digitalabgabe, die Big-Tech-Unternehmen mit digitalen Plattformdiensten in Deutschland zu entrichten hätten. Wie unter anderem der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung, eine Digitalabgabe einzuführen. Diese könnte Unternehmen wie Google und Meta dazu verpflichten, einen festen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen abzuführen.
mehr »

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Die ganz große Verweigerung

Der  öffentlich-rechtliche Rundfunk war schon immer Hassobjekt der Rechten. Auf politischer Ebene wollen sie ihn abschaffen, am Stammtisch wird gegen ARD und ZDF gehetzt. In Sozialen Medien oder in Chatgruppen geht es richtig zur Sache. Dort treffen sich sogenannte Rundfunkverweigerer. Ralf Hohlfeld und Vivian Stamer beschäftigen sich an der Uni Passau mit den Bereichen Journalistik und Strategische Kommunikation. Für ihre Studie haben sich die beiden auf die Suche nach sogenannten Rundfunkverweigerern gemacht.
mehr »

Eine Medienplattform für Europa

Für ARD und ZDF war es eine richtungsweisende Entscheidung, als sie vor einem Jahr mitteilten, ihre Mediathek-Software gemeinsam entwickeln zu wollen. Mit im Boot ist inzwischen auch das Deutschlandradio. Unter dem Projektnamen „Streaming OS“ laufen die Arbeiten. OS steht für „Operating System“, aber auch für „Open Source“. Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen wichtige technische Bausteine für ihre Streaming-Aktivitäten auch anderen Anbietern und Organisationen frei zugänglich machen. Eine europäische Ausrichtung haben sie ebenso im Blick.
mehr »