Im RBB zählen Kameraleute und Grafiker zu den sogenannten „Nichtprogrammgestaltenden“ (NPG). Während es bei den Grafiker*innen boome, würden Kameraleute in Berlin oder Potsdam zunehmend weniger gebucht, so die RBB-Freienvertretung. Weil für etliche von ihnen ein Bestandsschutz-Tarifvertrag gelte, würden sie auf der jeweils bestehenden Basis weiterbezahlt. Aus Sicht der Freienvertretung im RBB ein überflüssiges Unterfangen, Beschäftigungsmöglichkeiten gebe es genug, Geld werde zum Fenster hinausgeworfen.
Nach Berechnungen der Freienvertretung fallen rund 300 Kameraleute unter den Bestandsschutz-Tarifvertrag: Wer in den Jahren 2014, 2015 und 2016 mindestens 60 Tage für den RBB gearbeitet hat und im Jahr 2017 noch 30 Tage, hat einen Anspruch darauf, den Durchschnitt aus diesen Jahren bis zur Rente ausgezahlt zu bekommen. Jede/r einzelne von ihnen hat eine Angebotsgarantie, die sich aus dem Durchschnitt errechnet, in dem er oder sie zuvor gearbeitet hat. Wer 120 Tage im Jahr gearbeitet hat, hat also eine Angebotsgarantie über 120 Tage. Für so viele Tage müsste ihnen der Sender eigentlich Aufträge anbieten. Aber auf jeden Fall muss er ihnen diese 120 Tage bezahlen.
Das sei bis vor kurzem kein Problem gewesen, weil die Kameraleute für die Produktionen auch gebucht wurden, sagt eine Freienvertreterin. Aufgrund des digitalen Umbaus, den der Sender vehement vorantreibe, würden sie jedoch weniger gebucht: Zum einen, weil zunehmend auf Reporterteams umgestellt werde. Diese bestehen nur noch aus einem Kameramenschen und einer Reporterin oder einem Reporter und nicht mehr wie zuvor aus Kameramensch, Assistent*in und Reporter*in. Dafür seien bisherigen Kameraassistent*innen, die beispielsweise für den Ton zuständig waren, Angebote unterbreitet worden, im Reporterteam die Kameraarbeit zu übernehmen. „Das fanden die altgedienten Kameraleute nicht lustig, außerdem ist ein Drei-Mensch-Team durchaus sinnvoll, um vernünftige Beiträge zu machen. Die Assistent*innen wurden mit mehr Geld geködert, die Kameraleute kaltgestellt“, so die Freienvertreterin.
Zum anderen werde gezielt der Einsatz von mehr VJs (Video-Journalisten) und MoJos (Mobile Journalisten) forciert, die allein mit der Kamera oder nur noch mit dem Handy unterwegs sind. Das führe zu Stornierungen von Kameraleuten aus aktuellen Programmen wie der „Abendschau“. „Wegen der Angebotsgarantie müssen sie weiterbezahlt werden. Wer also eine 120-Tage-Angebotsgarantie hat, aber nur 80 Tage beschäftigt wird, bekommt vom Sender gemäß Tarifvertrag 40 Tage Nichtstun bezahlt.“ Nach Einschätzung der Freienvertretung eine unnötige Maßnahme. „Die Kameraleute wollen arbeiten und sind gut einsetzbar. Nach Überschlagsrechnungen, die im Sender kursieren, werden dadurch jährlich 500.000 bis 600.000 Euro an Ausgleichszahlungen fällig.“
Die Freienvertretung vermisst nicht nur hinter diesem Vorgehen eine schlüssige Strategie. Der Sender wolle mit aller Gewalt den digitalen Umbau tätigen. Dagegen sei erstmal nichts zu sagen. Aber auch wenn man mehr für Online produzieren wolle – die Devise laute ja jetzt „online first“ – könne man dafür die von den Kameraleuten generierten Bilder nutzen. Die Freienvertreterin berichtet von einem Fall in der aktuellen Berichterstattung, bei dem Kameraleute Drehmaterial erstellt hätten, das für alle zum Zugriff bereit war. Parallel sei zum gleichen Anlass ein VJ für online rausgeschickt worden. „Er hat das Gleiche gemacht, nur schlechter.“ Der Sender bezahle also doppelt und entscheide sich für das schlechtere Material. „Das ist widersinnig, das leuchtet nicht ein. Wenn dahinter der Gedanke stünde, dass die VJs komplett anderes, frischeres Bildmaterial einfangen, könnte man es ja noch verstehen. Aber dem ist nicht so.“
Der Sender kenne den Tarifvertrag genau, er wisse, wie viele Leute das betrifft. Sich dafür zu entscheiden, die Arbeit der Kameraleute nicht mehr zu nutzen und ihnen stattdessen den Ausgleich zu zahlen, könne doch nicht die Haltung eines Senders, eines Arbeitgebers sein. „Das ist respektlos und den Menschen gegenüber wenig wertschätzend.“ Wenn es darum ginge, neue, andere Styles zu kreieren, könne man die Kamerakolleg*innen fortbilden. Sie seien dem gegenüber gar nicht abgeneigt, sie wollten nur wissen, wie und wo sie dann eingesetzt werden sollen, was das Ziel der Übung sei. „Und da kommt nichts, es gibt keinen Plan. Wir verstehen nicht, warum kein Personalkonzept erarbeitet wird. Überhaupt fehlt ein Masterplan, wo es eigentlich hingehen soll, was man mit welchen Leuten wie machen will. Wir sehen weder eine erkennbare Personalplanung noch eine Strategie.“