Basishonorare als Untergrenzen

Fotos: Shutterstock/SergeyCo, 123rf/mabaff, 123rf/Vlad Ispas (2)/Montage: Petra Dreßler

ver.di schlägt Berechnungsmodell für selbstständige Kreative vor

Basishonorare“ für selbstständige Kreative? Seit Juni existiert ein Diskussionsvorschlag von ver.di, den eine Arbeitsgruppe von Ehrenamtlichen aus den Kulturfachgruppen mit erdacht hat. Er definiert Untergrenzen für Honorare. Die Zeit sei reif für einen „Quantensprung“, meinen die Initiator*innen.

Für Lisa Basten, Bereichsleiterin Kunst und Kultur in der ver.di-Bundesverwaltung, ist klar: Corona hat den Letzten gezeigt, wie prekär das Lebensmodell vieler Freiberufler*innen in dieser reichen Gesellschaft ist. Soloselbstständige Kreative verdienen schlicht zu wenig, um auskömmlich für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, sich Krankenversicherung, Altersvorsorge und temporären Auftragsmangel leisten zu können. Ein Versprechen im Ampel-Koalitionsvertrag lautet deshalb auch: „Zur besseren sozialen Sicherung freischaffender Künstlerinnen, Künstler und Kreativer werden wir Mindesthonorierungen in die Förderrichtlinien des Bundes aufnehmen.“ Und: Verbindliche Untergrenzen bei der Honorierung kollektiv durchzusetzen, scheint nach den jüngst veränderten Leitlinien zum EU-Wettbewerbsrechts realistischer.

TVöD als Referenz und Bezugspunkt

Viele Kreative beziehen einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Einnahmen aus Aufträgen mit öffentlicher Förderung. Doch sind weder Auftraggeber, geschweige der freie Markt, bisher an Honoraruntergrenzen gebunden. Als Prämisse für den ver.di-Vorschlag beschreibt Basten: „Basishonorare bilden die verbindliche Mindesthonorierung. Es sind Grenzen, die nicht unterboten, wohl aber überschritten werden dürfen. Und: Unser Modell soll für verschiedenste Aufträge unterschiedlicher künstlerisch tätiger Selbstständiger gleichermaßen anwendbar, also quasi allgemeingültig sein.“

Das vorgeschlagene Modell bezieht sich auf Aufträge mit öffentlichen Fördergeldern. Es sei mehr als naheliegend, „sich bei der Berechnung von Basishonoraren auf den Tarifvertrag Öffentlicher Dienst (TVöD) zu beziehen“, erläutert Basten. So werde Transparenz, Vergleich- und Übertragbarkeit gesichert. Tarifsteigerungen würden zudem dafür sorgen, dass Basishonorare nicht stagnieren.

Voraussetzung: Kreative Arbeit muss nach Zeit berechnet werden. Das wäre gegenüber Werkaufträgen vielfach ein neues Modell, biete zugleich aber die Chance, bisher „unsichtbare“ Arbeit mit einzubeziehen. Bedacht wird auch, dass selbstständige Kreative unternehmerisch anders kalkulieren müssen als Festangestellte. Für die geförderte künstlerische oder kreative Leistung im engeren Sinne werden deshalb pro Tag 5,85 Stunden Arbeitszeit veranschlagt, der „Rest“ kompensiert Zusatzfaktoren wie Sozialversicherung und Betriebskosten. Das Berechnungsmodell mit 211 Jahresarbeitstagen bezieht auch Urlaub, Feiertage und eventuelle Krankheit ein.

Der TVöD biete zugleich die Möglichkeit, Qualifikationsniveau und Berufserfahrung zu berücksichtigen. Für die Berechnung des Basishonorars werden vier Entgeltgruppen gewählt, die eine Vielzahl von Tätigkeiten selbstständiger Kreativer abbilden dürften. Es wird generell Entwicklungsstufe 3 angesetzt, da bei Selbstständigen in der Regel von mehrjähriger Berufserfahrung ausgegangen werden kann. Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse ist ebenfalls bedacht.

Reale Arbeitszeit vergüten und Kosten einrechnen

Betriebsausgaben für Büro, Atelier oder Studio, Werbungskosten und Abschreibungen, die allein für die Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit erforderlich sind, gehen mit Pauschalen in die Kalkulation ein.

25 Prozent der Arbeitszeit werden für übergreifende Tätigkeiten wie Fortbildung, Vor- und Nachbereitung von Aufträgen, Austausch mit Kolleg*innen, Buchhaltung etc. angesetzt. Aus all dem lassen sich dann Stunden-, Tages-, Wochen- und Monatssätze errechnen, die für die Honorierung herangezogen werden.

Zur Verdeutlichung hat die ver.di-Arbeitsgruppe Beispielrechnungen vorgelegt. So wird etwa für eine zweistündige Autorenlesung mit Publikumsgespräch ein voller Arbeitstag veranschlagt, der dem lesenden KSK-Mitglied 382 Euro Mindesthonorar einbringen soll. Für Autor*innen, die nicht in der KSK sind, erhöht es sich um anteilige Sätze für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Eine Moderation, etwa auf einem Filmfestival, soll Kreativen ohne KSK-Mitgliedschaft mit 5,25 Arbeitsstunden und 301 Euro Basishonorar vergütet werden. Ein eintägiger Workshop im Rahmen kultureller Bildung wird mit drei Tagen Arbeitszeit kalkuliert, die (ohne KSK) mindestens 1.343 Euro einbringen.

Auf diesem Fundament sind werkbezogene Material-, Reisekosten oder nötige Anschaffungen noch zusätzlich zu kalkulieren. Basishonorare bilden auch keine Honorarempfehlungen, sondern Untergrenzen! „Wer mit staatlichen Mitteln Kultur fördert, braucht Ressourcen, um den im Grundgesetz verankerten Auftrag auszufüllen – ohne zur Prekarisierung von Künstler*innen beizutragen“, betont Lisa Basten. Sie will bundesweit Verbände und Partner für das Modell gewinnen, um existenzsicherndes Arbeiten für Selbstständige im Kulturbereich zu ermöglichen.

Weiter lesen: Das Eisen Basishonorare schmieden, solange es heiß ist. So könnte man die Aufgabe auch beschreiben. Die Zeichen stehen in vieler Hinsicht günstig, um Verbesserungen durchzusetzen. Basishonorare für Kreative: Wann, wenn nicht jetzt? 

Aktuelle (online) Ergänzung 22.12.2022

Anlehnung an TVöD, Betriebskosten und projektübergreifende Arbeitszeit … Die konkrete Berechnungsgrundlage sowie weitere Beispielkalkulationen und Erläuterungen sind hier (Basishonorare: Erläuterungen zum Berechnungsmodell – ver.di (verdi.de)) zu finden.

Die Zeichen stehen in vieler Hinsicht günstig, um Verbesserungen durchzusetzen. Wer die Idee der Basishonorare mit durchsetzen will, kann die Präsentation (2022-12_verdi-Kunst-Kultur_Basishonorare-fuer-Kreative.pdf) nutzen um Kolleg*innen und Entscheidungsträger*innen zu überzeugen.

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »