Ohne Montage gäbe es keine Filme. Auch als „Schnitt“ bekannt, bezeichnet Montage zumeist das Aneinanderfügen von Ton- und Bildsequenzen. Was aber versteht man noch alles unter Montage? Wo beginnt sie und wo hört sie auf? Und warum bekommen Editor*innen immer noch weit weniger Anerkennung als Regisseur*innen? Diesen und anderen Fragen widmete sich das diesjährige Symposium der Dokumentarfilminitiative (dfi).
Es ist ein ambitioniertes Programm, das Kurator Philip Widman, Judith Funke (Leiterin dfi) und ihr Team zusammengestellt haben. Unter dem Titel „Konstellationen dokumentarischer Montage und Dramaturgie“ luden sie am 19. und 20. Januar 2023 zum zweitätigen Symposium ins Filmhaus Köln. Den Titel der Tagung ernst nehmend, wurden mit den Gästen der Konferenz verschiedene Sitz-, Seh- und Gesprächskonstellationen ausprobiert, die vom gemeinsamen Filmeschauen im Kino über das Erstellen von Begriffssammlungen sowie Stuhlkreisen zum Thema Arbeitsbedingungen reichten.
Los ging es mit dem Kurzfilm „Schnittstelle“ (1995) von Harun Farocki, der mit der „weichen Montage“ schon mal eine erste gemeinsame Grundlage für das zweitägige Programm lieferte. Und so wurde der von Farocki geprägte Begriff direkt ins gemeinsame Vokabular der temporären Publikumsgemeinschaft aufgenommen. Übrigens: „Weich“ montiert heißt zum Beispiel bei Farocki: zwei Bilder nebeneinanderstellen und sie so aufeinander wirken lassen – wie Filmwissenschaftler Volker Pantenburg in seinem anschließenden Input erklärte.
Wissenschaftliche Beiträge wie der Pantenburgs oder auch der Vortrag zu Erzählstrategien und Montageformen von Gabriele Voss bildeten eher die Ausnahmen im Programm, das vor allem von Gesprächen mit Filmemacher*innen, Dramaturg*innen und Editor*innen geprägt war, die Einblicke in die eigene Praxis gaben. So sprachen etwa Filmemacherin Ute Adamczewski und Klangkünstler Ludwig Berger über ihren Umgang hinsichtlich des Tons in ihrem Film „Zustand und Gelände“, in dem ein Voiceover Originalakten zu den sogenannten „wilden“ Konzentrationslagern vorliest, die 1933 direkt nach Machtergreifung der Nationalsozialisten der Ausschaltung politischer Gegner*innen dienten. Um der gewaltvollen Sprache der Akten keine zusätzliche pathetische Spannung zu verleihen, abstrahierte Berger Tonaufnahmen der Originalschauplätze, verfremdete sie elektronisch und schuf damit eine nicht minder spannungsgeladene aber subtile Klangfläche, die den zweistündigen Film trägt.
Ein ganz anderes filmisches Beispiel für Montagetechnik ist „Purple Sea“ von Amel Alzakout und Khaled Abdulwahed für den die beiden Filmemacher*innen ihre Flucht über das Mittelmeer mit Handykameras dokumentiert haben, die sie in wasserdichten Plastikhüllen während der Überfahrt am Körper tragen. Auch, als das Schlepperboot kentert und Menschen stundenlang auf dem Meer treiben, filmen die Handys weiter: Beine unter Wasser, Hilferufe, ein Helikopter.
Philip Scheffner hat das sensible Material so montiert, dass keine Gesichter zu erkennen sind. Vielmehr wird es zu einem vermeintlich abstrakten Hintergrund, über den Amel Alzakout einen poetischen Essay spricht.
Unbedingt zu nennen sind auch die klugen Filme von Marian Mayland, die sich auf sehr unterschiedliche Weise mit intergenerationellem Trauma beschäftigen. In „Michael Ironside and I“ montiert Mayland Bildmaterial aus Science-Fiction-Serien ihrer Jugend zu einem Essayfilm, der sich mit Fantum, Suizidalität und Männlichkeit beschäftigt. Der 2022 mit dem deutschen Kurzfilmpreis prämierte „Lamarck“ ist hingegen ein autobiographischer Film über Maylands Familie, eine Reflexion über Fürsorge und Gemeinschaft, Einsamkeit und Depression. Dazu gibt es Aufnahmen aus dem elterlichen Wohnzimmer und dem unweit gelegenen Braunkohleabbaugebiet, dazwischen Fotos aus Maylands Kindheit.
Die inhaltlich wie formal derart unterschiedlichen Filme zeigten allesamt eines: Nämlich, dass die Montage integraler Bestandteil eines jeden (Dokumentar)Filmes ist und dabei maßgeblich dessen Dramaturgie beeinflusst.
Neben der durch und durch gelungenen Filmauswahl, der deutlich mehr Raum zum Verarbeiten des Gesehenen gutgetan hätte, regte das Programm das Fachpublikum – darunter auch Studierende und Lehrende – zum Austausch an. Gemeinsam wurde über die Arbeitsbedingungen von Editor*innen und Dramaturg*innen gesprochen und desolate Zustände hinsichtlich der Bezahlung konstatiert, die sich angesichts wachsenden Materialumfangs dank digitaler Möglichkeiten zunehmend prekarisiert: Denn mehr Videomaterial heißt leider nicht automatisch mehr Zeit für dessen Bearbeitung in häufig eng getakteten Produktionsprozessen. Aber auch in puncto Aufmerksamkeitsökonomien und Wertschätzung der Berufe muss sich noch einiges tun: Nicht nur sind es weiterhin vorrangig die Regisseur*innen, die in einem Atemzug mit dem Filmtitel genannt werden, auch an den Filmhochschulen werden die Regiestudiengänge in vielerlei Hinsicht gegenüber der Montage bevorzugt, berichten Studierende. Überhaupt – und darin ist die durchaus kontroverse Abschlussrunde sich einig – sei das singuläre Verständnis von eine*r Regisseur*in überholt, sind es doch fast immer kollektive Entscheidungen der verschiedenen Gewerke, die am Ende zu einem fertigen Film beitragen.