Kein neuer Prozess für Mumia Abu Jamal

Solidaritätsbekundung für Mumia Abu Jamal 2018 am Berliner Boxhagener Platz
Foto: Christian von Polentz

Es wird kein Wiederaufnahmeverfahren für Mumia Abu Jamal geben. Nun hat auch Richterin Lucretia Clemons vom Common Pleas Court in Philadelphia den Antrag des US-Journalisten auf einen neuen Prozess abgelehnt. Damit haben sich die Hoffnungen auf seine Freilassung in absehbarer Zeit zerschlagen. Unterstützer*innen sprechen von Rechtsbeugung. In Berlin ist zu Abu Jamals Geburtstag am 24. April eine Solidaritätsveranstaltung geplant, auf der auch ein neues Buch mit seinen Texten vorgestellt wird.  

Überraschend kommt die Ablehnung nicht, sie hatte sich durch Entscheidungen in den Vorinstanzen schon abgezeichnet. Trotzdem sprechen Aktivist*innen des weltweiten Solidaritätsnetzwerkes für Mumia Abu Jamal von einem weiteren Rückschlag. Der Journalist war im Sommer 1982 aufgrund fragwürdiger Beweise wegen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt worden. Vor mehr als 25 Jahren sorgte eine weltweite Solidaritätsbewegung dafür, dass die Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde. Seitdem kämpft die Solidaritätsbewegung um einen neuen Gerichtsprozess, in dem bewiesen werden soll, dass der Journalist nicht für den Mord an dem Polizisten verantwortlich ist. Mumia Abu Jamal hat seine Beteiligung von Anfang bestritten.

Die Hoffnungen auf einen neuen Prozess wuchsen, nachdem im Dezember 2018 im Gerichtsgebäude Dokumente gefunden wurden, die Mumia Abu Jamal entlasten sollten. Sie wurden damals von der Staatsanwaltschaft nicht weitergeleitet. Doch Richterin Lucretia Clemons befand nun, dass die Dokumente für eine neue Beweisanhörung und damit für die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ausreichen. Die Richterin räumte auch ein, dass Mumia Abu Jamal bei seinem Gerichtsprozess durch eine rassistische Auswahl der Jurymitglieder benachteiligt worden ist. Personen mit schwarzer Hautfarbe waren gezielt ausgeschlossen worden. Doch diesen Sachverhalt hätte Abu Jamal bereits in den 1990er Jahren vorbringen müssen, so Clemons. Das sorgte für Widerspruch bei Jurist*innen, die darauf verwiesen, dass die gezielte Diskriminierung von schwarzen Juror*innen erst durch die Aktenfunde 2018 bekannt wurde. Mit der Entscheidung setze sich die Richterin in zwei Punkten über die aktuelle Rechtsprechung hinweg, so die kritischen Jurist*innen. Danach reiche ein Nachweis, dass es eine rassistische Diskriminierung von Jury-Mitgliedern gegeben habe, für einen neuen Prozess aus. Auch der Nachweis, dass die Staatsanwaltschaft Dokumente, die den Angeklagten entlasteten, zurückgehalten habe, mache das Urteil ungültig. Danach hätte es zwingend einen neuen Prozess geben müssen, so juritische Kommentare in den USA.

Über 40 Jahre Solidarität

Für Markus Matter vom Berliner Solidaritätsbündnis ist die Ablehnung vor allem deshalb bitter, weil Mumia Abu Jamal damit mögliche Lebensjahre in Freiheit genommen werden. Zudem war der Inhaftierte in den letzten Jahren mehrmals schwer erkrankt und wird am 24. April 69 Jahre.  An diesem Tag lädt die Berliner Mumia-Solidaritätsgruppe ab 19.30 Uhr zu einer Informationsveranstaltung in das Syndikat in die Emscher Straße 131 ein. Dort soll auch das kürzlich im Westend-Verlag erschienene Buch „Texte aus dem Todestrakt“ vorgestellt werden. In dem von Michael Schiffmann und Stephane Francin herausgegebenen Sammelband sind zahlreiche Texte dokumentiert, die Mumia Abu Jamal in den letzten 40 Jahren hinter Gefängnismauern geschrieben hat. Sie sind überwiegend das erste Mal in deutscher Sprache veröffentlicht. Wer sie liest, lernt einen scharfen Kritiker der politischen Verhältnisse kennen, aber auch einen leidenschaftlichen Journalisten, der mit der Sprache umzugehen versteht.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »