Kein Verein für Infos
Von Günter Frech | Wer sich in Berlin unter der schreibenden und sendenden Zunft für wichtig hält, hängt sich ein halbes Dutzend Plastikkärtchen um den Hals. Die Beiträge der so geschmückten Kollegen – es sind in der Regel Männer, die so herumlaufen – sind nicht unbedingt faktengesättigter, als die der Anderen. Gerne wird unter Hauptstadtkorrespondenten erzählt, wer an harte politische Fakten kommen möchte, braucht eine gute Leber und den Zugang zu einem oder mehreren Hintergrundzirkeln, die sich meist nach Einbruch der Dunkelheit in edlen Hinterzimmern treffen. Gleich einem Hofstaat hält sich die politische Führungsklasse solche Zirkel und wer nicht dabei ist, ist von der politischen Kommunikation ausgeschlossen.
Da mutet es dann doch etwas anachronistisch an, wenn die angeblich wichtigste mediale Bühne, die Bundespressekonferenz, von sich behauptet, Ziel des altehrwürdigen Vereins sei es, „seinen Mitgliedern Möglichkeiten einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit zu verschaffen.“ Dabei ist nichts langweiliger, als die dreimal wöchentlich stattfindende Pressekonferenz des Regierungssprechers. Da wird viel erzählt, aber wenig gesagt. Und selbst wenn die Kanzlerin oder Ministerinnen und Minister auftreten, ist der Saal zwar voller, aber eben nur von Menschen und weniger von Inhalten.
Warum es nötig war, beim Start des ersten Deutschen Bundestages und der ersten Bundesregierung 1949 in Bonn auch den Verein Bundespressekonferenz zu gründen, sei dahingestellt. Vielleicht entsprach es dem urdeutschen Verlangen, sich in Vereinen zu organisieren. Eine Journalistengewerkschaft gab es 1949 noch nicht. Doch im Jahre 2008 ist die Bundespressekonferenz so überflüssig, wie eine Sauna im Gehege von Eisbär Knut. Zumal die Mitgliedschaft in der Bundespressekonferenz nicht ausreicht, um zum Beispiel auf der Pressetribüne im Bundestag Platz nehmen zu dürfen. Die Akkreditierung erteilt der Bundestag selbst. Hat man diese Pappe, kommt man noch lange nicht ins Kanzlerinnenamt oder in die Ministerien. Dafür hat das Bundespresseamt seine Daseinsberechtigung. Um also an der möglichst lückenlosen informellen Wertschöpfungskette teilhaben zu können, bedarf es mindestens drei Zulassungen.
Im anbrechenden Zeitalter crossmedialer Wertschöpfung sind Journalistinnen und Journalisten gezwungen, auf ganz vielen Hochzeiten zu tanzen. Da passt das Bild des Parlamentsberichterstatters nicht mehr in die Landschaft. Pressekonferenzen als closed shop – meinetwegen beim Vatikan, aber bitte nicht in einer demokratischen Gesellschaft. Der Ordnung halber sollte eine Akkreditierungsstelle für alle Politikbeobachterinnen genug sein. Die Selbstauflösung der Bundespressekonferenz zum 60-jährigen – das hätte Größe!
Infos nur für den Verein
Von Bettina Erdmann | Natürlich ist die Bundespressekonferenz ein edler Verein mit strengen Aufnahmekriterien: ausschließlich für Parlamentsberichterstatter, das Auditorium zugelassen für derzeit 930 Mitglieder, die dafür zahlen. Fragerecht haben nur sie. Auskünfte politisch Verantwortlicher und ihrer Sprecherinnen und Sprecher können zuvor schriftlich angemeldete Journalistinnen und Journalisten zwar hören, dürfen aber nicht nachhaken. Ein Tipp für die „Gasthörer“: Setzt Euch neben ein Mitglied und überzeugt es, Eure Frage zu stellen. Klingt ein bisschen nach Alibifunktion, hat etwas vom Ruch eines closed shops. Aber gehört die Bundespressekonferenz deshalb abgeschafft? Für mich lohnt der Ausflug in die – andere – deutsche Geschichte. Ein Beispiel: Zweieinhalb Jahrzehnte lang bemühte sich die Redaktion der einzigen DDR-Frauenillustrierten Für Dich immer wieder, ein Interview mit der ebenfalls einzigen Ministerin – der für Volksbildung – zu bekommen. Vergeblich. Ein Forum für das direkte Gespräch mit der politischen Führung? Fehlanzeige. Erst mit der Wende wurde eine Regierungspressekonferenz etabliert.
Aus solchem Blickwinkel gewinnt die 1949 von Parlamentskorrespondenten in Bonn mit dem Wunsch nach schnellem Zugang zu Informationen gegründete Bundespressekonferenz an besonderem Wert als „demokratische Errungenschaft“. Vielleicht ist etwas dran, dass bei manchen Bundespressekonferenzen soviel Neues nicht erzählt wird, dass es im routinemäßigen Ping-Pong oft nur kurz hin und her geht, weil Eingeweiht-Sein vorausgesetzt wird und die harten politischen Fakten eh in Hintergrundzirkeln gehandelt werden. Aber nicht nur die Medienleute, auch die Politiker brauchen das Gremium, um Befindlichkeiten zu erspüren und die Wirkung ihrer Botschaften.
Ein bisschen Öffnung gab es schon. Aufgemacht ist das Fragerecht bei speziellen Themen-Pressekonferenzen. Die Bundespressekonferenz selbst hat sich unlängst gefragt: Sind wir noch zeitgemäß? Ja, fand die Reformgruppe heraus. Was sich bewährt hat, bleibt. Die verpflichtende Mitgliedschaft, das dreimal wöchentliche Briefing, angepasst an Sendezeiten und Drucktermine. Neu ist das Tagesthema. Noch ein bisschen mehr Öffnung wäre schön. Beispielsweise generelles Fragerecht für alle angemeldeten Journalisten. Vielleicht ist es auch an der Zeit, über eine Neukonstruktion der Bundespressekonferenz nachzudenken? Ihr Vorstand könnte mit Journalistengewerkschaften und Politikern diskutieren, wie Informationen im politischen Berlin transparenter fließen. Und noch ein Wort zum Bundespresseball: Statt dieses leicht antiquierten Jahrmarkts der medialen Eitelkeiten wäre ein Bürgerfest zeitgemäßer, bei dem sich Medien und Volk auf Augenhöhe begegnen.