Beitrag gelöscht, Account gesperrt

Portrait von Jasper Prigge

Jasper Prigge, Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht in Düsseldorf Foto: Kay Herschelmann

Meinung

Für die journalistische Arbeit ist der eigene Account in sozialen Netzwerken von großer Bedeutung. LinkedIn, Twitter (heute: X) und Co. dienen nicht nur der Darstellung der eigenen Arbeit. Sie sind Recherchetool, Newsfeed, Stimmungsbarometer, Briefkasten für anonyme Hinweise und vieles mehr. Wenn die Plattform dann aber ohne erkennbaren Grund Beiträge löscht oder den Account sogar ganz sperrt, kann dies zum Problem werden. Aber Betroffene können sich wehren und gegen unberechtigte Sanktionen vorgehen.

Die Gerichte hatten in den vergangenen Jahren in zahlreichen Verfahren darüber zu entscheiden, wie weit die Meinungsfreiheit von Nutzer*innen reicht. In zwei Grundsatzverfahren hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2021 klargestellt, dass Facebook zwar berechtigt ist, in seinen Nutzungsbedingungen konkrete Vorgaben zur Kommunikation auf der Plattform zu machen und Nutzer*innen bei Verstößen zu sanktionieren (Urt. v. 29.07.2021 – III ZR 179/20 und III ZR 192/20). Wird ein Beitrag gelöscht, muss die Plattform hierüber aber nachträglich informieren und vor einer Sperrung des Accounts muss der betroffenen Person in der Regel eine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.

Verstoß gegen Nutzungsbedingungen

Als Ausgangspunkt gilt: Auch, wenn die meisten Nutzer*innen für ihren Account kein Geld bezahlen (sondern nur mit ihren Daten), schließen sie mit der Registrierung ihres Accounts einen Vertrag ab. Inhalt dieses Nutzungsvertrags ist, dass sie die von der Plattform zur Verfügung gestellten Funktionen nutzen dürfen. Nimmt die Plattform zu Unrecht an, eine Äußerung verstoße gegen die Nutzungsbedingungen, ist die daran anknüpfende Maßnahme willkürlich – und damit vertragswidrig.

Die Beurteilung, ob eine Äußerung den Bedingungen der Plattform widerspricht oder nicht, ist nicht immer einfach. Der Übergang von Beleidigungen oder „Hassrede“ einerseits und zugespitzten Polemiken oder Satire andererseits ist fließend. Zudem kommt es häufig auf den Kontext und das Vorverständnis des Publikums an. Über die Auslegung eines Beitrags kann man im Zweifelsfall lange diskutieren. Algorithmen und Moderationsteams kommen hier schnell an ihre Grenzen.

Eine zeitweise oder sogar dauerhafte Accountsperre ist nur zulässig, wenn bereits mehrfach gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen wurde oder der (erstmalige) Verstoß besonders schwerwiegend ist. In allen anderen Fällen ist die Löschung einzelner Beiträge als mildere Maßnahme ausreichend. Nach wie vor kommt es aber in der Praxis vor, dass ohne Grund Beiträge gelöscht oder Accounts gesperrt werden. Vor allem bei Instagram sind willkürliche Sperrungen an der Tagesordnung. Über die Gründe lässt sich spekulieren.

Beschwerde einreichen

Was ist zu tun, wenn kein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen vorliegt und trotzdem gelöscht und gesperrt wird? In einem ersten Schritt gilt es, sich – untechnisch gesprochen – bei der Plattform zu beschweren und eine Frist zu setzen, bis zu der die Sanktion zurückzunehmen ist. Daraufhin hat die Plattform die Möglichkeit, ihre Entscheidung zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Die „Beschwerde“ hat darüber hinaus auch eine rechtliche Bedeutung. Mit Fristablauf gerät die Plattform mit der Wiederherstellung des Beitrags oder der Entsperrung des Accounts in Verzug. Will die betroffene Person die Sanktion nicht auf sich sitzen lassen, haftet die Plattform mit Eintritt des Verzugs u.a. für die Kosten, die für die Beauftragung eines Anwalts entstehen (OLG Dresden, Urt. v. 08.03.2022 – 4 U 1050/21).

Die gesetzte Frist sollte nicht zu kurz sein. Eine Woche ist als Richtwert zu empfehlen. Zugleich sollten Betroffene sich nicht zu großzügig zeigen und zügig reagieren. Denn sollte die Plattform auch auf anwaltlichen Druck nicht reagieren, sollte eine einstweilige Verfügung bei Gericht in Erwägung gezogen werden. Ein solches Eilverfahren ist allerdings in der Regel nur möglich, wenn seit Kenntnis der rechtswidrigen Löschung bzw. Sperrung nicht mehr als ein Monat vergangen ist. Wer zu lange wartet, kann nur ein „normales“ Klageverfahren führen, dass auch mal ein Jahr und länger dauert. Empfehlenswert ist daher, sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, ob ein gerichtliches Verfahren angestrebt werden soll.

Mit dem jüngst in Kraft getretenen Digital Services Act der EU werden sehr große Onlineplattformen stärker reguliert. Ziele sind mehr Transparenz bei der Moderation von Inhalten und ein besseres Beschwerdemanagement. Ob dadurch willkürliche Sperrungen seltener werden, bleibt abzuwarten.


Jasper Prigge ist Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht in Düsseldorf.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Faktenbasiert, aufklärend, machtkritisch

Der Journalist Georg Restle ist seit 2012 Leiter und Moderator des Politmagazins Monitor in der ARD. Der studierte Jurist tritt für einen „werteorientierten Journalismus“ ein. Mit M sprach er über Fakenews, Fehlerkultur und journalistische Resilienz.
mehr »

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »

Erziehung zur digitalen Mündigkeit

Wie kann man Kinder und Jugendliche bei der Social-Media-Nutzung vor Gefahren wie Cybergrooming oder -mobbing schützen, ohne ihnen Teilhabe- und Befähigungschancen in der digitalen Welt zu verbauen? Die aktuelle Debatte wird hitzig geführt. Antworten reichen von einem Verbot für Tiktok, Instagram und Co für unter 16-Jährige bis hin zur Stärkung von „digitaler Mündigkeit“ der User und rechtlicher Regulierung der Anbieter.
mehr »