„Irgendwas mit Film“ ist längst nicht mehr der Traumberuf früherer Jahre, weil sich rumgesprochen hat, wie unattraktiv die Arbeitsbedingungen sind. Die Produktionsunternehmen wollen das Nachwuchsproblem mit verschiedenen Initiativen lösen, die sich nicht nur an junge Leute, sondern auch an Ältere richten. Gerade Mitglieder der Altersgruppe 50plus werden zum Quereinstieg animiert. Mit ihren an die fünfhundert verschiedenen Tätigkeiten hat die Branche eine enorme Vielfalt zu bieten. In dem Interviewbuch berichten 45 Filmschaffende von ihren Erfahrungen.
Für viele Filmbereiche gibt es weder konkrete Ausbildungsmöglichkeiten noch ein klares Berufsbild, das die notwendigen Fertigkeiten und Voraussetzungen umreißt; Außenstehende können daher gar nicht wissen, was sie alles erwartet. Völlig zu Recht schreibt Oliver Zenglein, Gründer der Branchenplattform Crew United, in seinem Vorwort daher, das Buch schließe eine Transparenzlücke.
In den Gesprächen mit Bent Evers, viele Jahre Script Supervisor, erzählen die größtenteils jungen Filmschaffenden, was sie an der Branche gereizt hat, welche Ausbildung sie absolviert und wie sie in ihren Beruf gefunden haben. Die meisten sind nach wie vor mit Begeisterung und Leidenschaft dabei, aber die Schattenseiten werden trotzdem nicht ausgespart. Geradezu bedrückend lesen sich die Ausführungen einer Garderobiere. Sie berichtet von Kolleginnen, die bei der Produktion einer täglichen Serie am Arbeitsplatz übernachtet haben, um genug Schlaf zu finden, und von einer Produktion, die nach einem Zwölf-Stunden-Tag wegen Meuterei kurz vor dem Abbruch stand. Aber dann hätten doch „alle den Schwanz eingezogen“: Wer als schwierig gilt, muss fürchten, keinen Anschlussjob zu bekommen; das gilt nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera.
Fachkräftemangel beim Film
Zynische Menschen kommentieren solche Anekdoten gern mit dem Satz „Augen auf bei der Berufswahl“. Aber natürlich muss sich was ändern, sonst wird die Film- und Fernsehproduktion von Fachkräftemangel und demografischem Wandel noch stärker betroffen sein als andere Branchen; von der zunehmenden Forderung nach ausgewogener Work/Life-Balance ganz zu schweigen. Viel zu lange konnten sich die Unternehmen auf die Bereitschaft zur Selbstausbeutung zu verlassen. Zumal sich alle Beteiligten gern als Teil von etwas Größerem betrachteten und im besten Fall Kunst produziert wurde. Demgegenüber steht eine ganz erhebliche Familien- und Beziehungsunfreundlichkeit, miserable Bezahlung sowie keinerlei Altersvorsorge; von Kunst kann in den meisten Fällen ohnehin keine Rede sein. Die Arbeitsbedingungen, sagt ein Erster Regieassistent, seien „ins Perverse abgedriftet“; 95 Prozent der Produktionen seien es nicht wert, dass man sein Privatleben aufgebe. Dennoch vermitteln die Interviews, dass die Arbeit trotzdem erfüllend sei, selbst wenn man nicht ständig „Schinders Liste“ drehe.
Das Buch richtet sich ausdrücklich keineswegs nur an Menschen, die einen Job suchen oder sich verändern wollen. Evers hat die Gespräche elf verschiedenen Gewerken zugeteilt (Regie, Kamera, Licht, Ton, Szenebild etc.). Die Einblicke sind daher auch für Film- und Serienfans außerordentlich erhellend. Ganz konkret an den Nachwuchs gerichtet sind allerdings die abschließenden „Words of Wisdom“. Hier teilen die Filmschaffenden Erkenntnisse, die sie gern schon zu Beginn ihrer Karriere gehabt hätten: Selbstbewusst auftreten und sich nicht alles gefallen lassen, physische und psychische Grenzen respektieren, weil sonst ein Burn-out droht, und unbedingt mit anderen übers Gehalt sprechen, damit man nicht über den Tisch gezogen wird.
Bent Evers: „Irgendwas mit Film. Perspektiven junger Filmschaffender“. Schüren-Verlag, Marburg 2024. 400 Seiten, 28 Euro. ISBN: 978-3-7410-0454-4