Filmtipp: Der Sohn des Mullahs

Der Sohn des Mullahs vor Gericht

Der Sohn des Mullahs. Foto: Rise & Shine Cinema

Nahid Perssons Sarvestanis Dokumentation „Der Sohn des Mullahs“ zeigt, wie gefährlich – und notwendig – unabhängiger Journalismus im Iran ist. Sie begleitet Roohollah Zam, der sich  sich in Frankreich halbwegs sicher fühlt. Von hier aus betreibt er seinen Nachrichtenkanal, veröffentlicht Berichte über geheime Dokumente, die ihm aus iranischen Regierungskreisen zugespielt werden.

Roohollah Zam geht bis 2009 selbst bei den iranischen Herrschern ein und aus. Sein Vater Mohammad-Ali Zam ist in verschiedenen Funktionen Mitglied des Mullah-Regimes. Zum Bruch kommt es über die Wahlmanipulationen während der „Grünen Revolution“. Wegen seiner oppositionellen Arbeit muss Roohollah Zam das Land verlassen. In Frankreich findet er Asyl.

Von dort aus macht er sich einen Namen mit der Enthüllung verschiedener Geldwäscheaktivitäten. Korruption und Gewaltakte zu enthüllen, wird seine Hauptaufgabe. Er avanciert zum prominenten Regimegegner, seine Online-Plattform Amad News eröffnet eine Filiale im Irak. Die Journalisten haben Bodyguards vor der Tür und entsicherte Maschinenpistolen im Handschuhfach.

„Hinter uns der Islamische Staat, vor uns die iranischen Revolutionsgarden“, wie Zams Kollege Ali Javanmardi sagt.

Dennoch: Nichts kann die beiden von ihrer Mission abbringen, das iranische Regime durch seine Veröffentlichungen in Bedrängnis zu bringen oder gar zu stürzen.

Journalismus in Lebensgefahr

Die vielfach ausgezeichnete Regisseurin Nahid Persson Sarvestani hat sie im Jahr 2019 begleitet. Ihr Film „Der Sohn des Mullahs“ zeigt journalistische Arbeit unter schwersten Bedingungen. Die Kamera läuft auch, wenn Zam zum Abendessen im Kreise seiner Familie Morddrohungen erhält – und zugleich ein Angebot eines australischen Immobilienspekulanten, der vorgibt, einen Sender finanzieren zu wollen. Das würde seine Arbeit auf völlig neue Füße stellen.

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Wahrheit und Lüge liegen nahe beieinander: Ist ein Anbieter seriös, wenn er behauptet, diese und jene Papiere müssten unbedingt persönlich übergeben werden? Ist ein Mann vertrauenswürdig, der sein Geld mit den Auslandgeschäften der Kinder der Mullahs verdient, wie im Fall des vermeintlichen Investors? Als Zuschauer*in weiß man – wie die Protagonisten – bald nicht mehr, wer auf der richtigen Seite steht.

Sicher ist aber dies: Das Angebot soll sich als Falle herausstellen. Zwar weiß Zam, dass ihn Kräfte des iranischen Regimes ausschalten wollen. Dennoch geht er auf das Angebot ein. „Ich bin nicht Roohollah Zam geworden, weil ich Angst habe“, sagt er und reist in den Irak, wo er den iranischen Agenten viel zu nahe kommt.

Zeitgleich sendet das iranische Fernsehen eine Dokumentation, in der Zam als vermeintlicher Agent der Regierung erscheint. Für die Opposition ist er damit verbrannt. Sein Fazit: „Ich hoffe, sie werden mich umbringen, dann ist klar, dass sie lügen.“ Ein unguter Wunsch, den ihm die iranischen Behörden erfüllen werden: Zam wird entführt und für mehr als ein Jahr inhaftiert. In einer Fernsehshow soll er gestehen, dass er ein Verräter ist. Es folgt ein Schauprozess, er wird zum Tode verurteilt. Im Dezember 2020 vollstrecken die iranischen Behörden den Gerichtsspruch am Galgen.

Tödlicher Schlag gegen die Pressefreiheit

Das Vorgehen soll Signalwirkung haben: Iranische Bürger sollen sich nirgends sicher fühlen, die Geheimdienste bekommen jeden. Von einem tödlichen Schlag gegen die Meinungsfreiheit in Iran sprechen Menschenrechtsorganisationen, die sich für Zam eingesetzt haben. Doch obwohl in tiefer Trauer, lassen sich viele nicht beeindrucken. Auch seine Tochter Niaz nicht. Sie wird zwei Jahre später eine wichtige Stimme in der Aufstandsbewegung „Frau, Leben, Freiheit“ werden.

Sarvestani rekonstruiert die Ereignisse minutiös. „Der Sohn des Mullahs“ ist ein Dokumentarfilm, der sehr nah dran an seinem Protagonisten bleibt. Die Regisseurin lässt nichts aus in der filmischen Erzählung: Handkamera, Fahrten ins Ungewisse, Dreh in mehreren Ländern, Ausschnitte aus TV-Sendungen. Dieser Film ist engagierter Journalismus über engagierten Journalismus.


„Der Sohn des Mullahs“. SWE 2024. Regie: Nahid Persson Sarvestani. Offizieller Filmstart: 13. Juni 2024 Zum Tag der Pressefreiheit am 3. Mai 2024 wird es eine kostenlose Sondervorführung in Hamburg geben.

Premiere in Berlin: in den Eva Lichtspielen TICKETS
am 12.06.2024 um 19.30 Uhr Mit Gästen, Performance und anschließendem Filmgespräch mit
der Regisseurin Nahid Persson Sarvestani

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