Wie können progressive Inhalte leicht verständlich und zugänglich medial aufbereitet werden? Das Online-Magazin Revolte hat sich vorgenommen, mit den Mitteln des Boulevards neue Zielgruppen zu erschließen, diese langfristig für Journalismus zu interessieren und Medienkompetenz aufzubauen. Optisch „knallt“ es direkt, wenn die Seite sich öffnet – mit grellen Farben und riesigen Überschriften, die „Klick mich!“ rufen: Revolte ist eine Ansage.
„Wir wollen Boulevard machen – aber mit ethischem Anspruch und journalistischen Standards“, erklärt Amy Amoakuh von der kleinen Redaktion. Seit 2022 baut Amoakuh zusammen mit vier Mitstreiter:innen ein Projekt auf, das sich erst einmal nach Unvereinbarkeit anhört: Progressive Inhalte werden leicht zugänglich aufbereitet und sollen in einfachen, nicht zu langen Texten mehr Menschen für Themen interessieren, die ansonsten eher linken Medien wie beispielsweise der taz vorbehalten sind. Und auch wenn das inhaltliche Spektrum ähnlich ist: viele Artikel dort oder auch in der Tageszeitung nd seien noch immer zu voraussetzungsvoll und ohne akademische Grundlagen häufig kaum zu verstehen, meint Amy. Dazu ganz im Gegensatz spielt der Boulevard mit wenig Text und vielen bunten Bildern – und sei so schon vom Erscheinungsbild her leichter zu verstehen.
Von der BILD lernen – und sie kritisieren
„Unsere Quelle zum Lernen war vor allem die BILD-Zeitung“, berichtet die junge Medienschaffende. „Das betrifft allerdings nicht die Vorstellung, dass unsere Blattlinie darauf beruht, gesellschaftliche Minderheiten zu Feinden zu stilisieren“, fügt sie hinzu. Ganz im Gegenteil. Die Revolte-Macher:innen, die sich im Jahr 2022 über die Plattform Twitter (jetzt X) zusammengefunden haben, und auch viele der bisher interessierten Autor:innen hätten mit den Themen Flucht und Migration, gefolgt von Rechtsextremismus definitiv einen gemeinsamen Schwerpunkt. Sie sehen die Positionierung in einem zunehmend rassistischen Diskurs, der asyl- und menschenfeindliche Entscheidungen befördert und auch innereuropäische Vereinbarungen aushebelt, auch als journalistische Aufgabe. Ein Neutralitätsgebot, dass Aktivismus und Journalismus kategorisch trennt, erachtet die Redaktion in dem Zusammenhang nicht als zielführende Kategorie. „Wir glauben, das ist etwas, was wir alle gern hätten, was es aber nicht gibt.“ Ausgewogen und objektiv gehe es bei kaum einem Thema zur Sache, so Amoakuh, die selbst Studentin im Master Sprachwissenschaft ist und nebenbei als studentische Hilfskraft arbeitet. Die Arbeit von Revolte entspreche journalistischen Standards, basiert auf dem Pressekodex und dem Medienstaatsvertrag, stellt sie klar.
Für die Revolte-Redakteurin geht es im Moment darum, überhaupt wieder mehr und vor allem junge, diverse und nicht ausschließlich akademisch ausgebildete Menschen mit Medienkompetenz auszustatten und für Berichterstattung und politische Analysen zu interessieren. Zumindest eine, die nicht verkürzt und mit dem Ziel rechter Einflussnahme über soziale Medien und Algorithmen bei vielen Menschen eine selbstbestimmte und faktenbasierte Information abgelöst haben. Die Idee eines linken Boulevardmediums stößt hier womöglich in eine Lücke.
Neue Zielgruppe erschließen
Dass das auch andere vor allem junge Medienschaffende so sehen, schließt die Redaktion aus der Vielzahl der Anmeldungen, die sie auf das Angebot von Online-Workshops in den Bereichen Journalismus, Medienkompetenz und Social Media bekommen. Die Workshops kann Revolte mit einer Förderung des Europäischen Solidaritätskorps aus dem Programm Jugend für Europa realisieren. Entwickelt hat sie sie mithilfe einer freiberuflichen Journalistin. Die Kerngruppe, die noch ausschließlich ehrenamtlich arbeitet, hofft, dass sich aus den Teilnehmenden auf lange Sicht ein Autor:innenpool für das Magazin entwickelt. Nach der mehrmonatigen Phase zwischen Antragstellung und Umsetzung des Projekts wächst die Zahl der Artikel kontinuierlich.
„Wer die Seminare besucht hat und anschließend für Revolte schreibt, kann mit der Förderung auch eine Aufwandsentschädigung erhalten“, erklärt Amy. Das sei gerade für die Menschen wichtig, die nicht privilegiert seien oder auch mit ökonomischen Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, aber trotzdem journalistisch schreiben wollen, so die 26-Jährige. Und genau an die Zielgruppe will Revolte heran.