Filmtipp: TV-Serie „Der Krieg und ich“

Screenshot: dpa-video.com

Wie erzählt man Kindern vom Krieg, ohne sie zu verängstigen? Wie lässt sich die Bombardierung einer Stadt in Bilder fassen, wenn man nicht über das Budget eines Kinofilms verfügt? Die achtteilige SWR-Serie „Der Krieg und ich“ läuft ab 31. August auf dem Kika. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich fehlende Mittel durch Fantasie ausgleichen lassen: Plötzlich scheint die Handlung zu erstarren und verwandelt sich in eine Spielzeugwelt.

Die Serie ist eine europäische Koproduktion und schildert den Zweiten Weltkrieg aus unterschiedlichen Länder- und Kinderperspektiven: Der zehnjährige Anton will unbedingt zur Hitlerjugend, weil dort alle seine Freunde mitmachen; die 13jährige Sandrine lebt im 1942 noch unbesetzten Südfrankreich und hilft geflüchteten Juden sich zu verstecken. Calum ist 15, lebt in Schottland und wird Zeuge, wie deutsche Bomben seine Heimatstadt Clydebank in Schutt und Asche legen.

Den Anstoß zu der Serie hat die Reihe „Kleine Hände im Großen Krieg“ (2014) gegeben. Sie handelte von Kindern im Ersten Weltkrieg, war aber nach Einschätzung der SWR-Redaktion für Kinder- und Familienprogramm nicht fürs Kinderfernsehen geeignet. Redaktionsleiterin Stefanie von Ehrenstein schwebte dagegen eine Serie über Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Holocaust vor, „die die Kinder nicht überfordert oder ängstigt“, aber dennoch ein ehrliches und verständliches Bild dieser Zeit entwirft. Sie sollte auf Tagebucheinträgen und Briefen von Kindern basieren.

Formal orientiert sich „Der Krieg und ich“ am Stil des Doku-Dramas: Spielszenen werden durch zeitgenössisches Dokumentarmaterial und eingesprochene tagebuchartige Texte ergänzt. Zwischendurch gibt es jedoch immer wieder diese Spielzeugmomente. Wenn deutsche Bomben auf Clydebank fallen, ist es das Modell, das in Flammen aufgeht. Den Machern ist dabei das Kunststück gelungen, diesen Effekt nicht lächerlich wirken zu lassen, weil die Miniaturwelt auch vorher schon in die Handlung integriert war. Regisseur Matthias Zirzow nutzt die entsprechenden Einstellungen unter anderem für ein kurzes Innehalten, damit die jungen Protagonisten die Ereignisse kommentieren können. Den Begleittext spricht Petra Schmidt-Schaller.

Im Fernsehalltag wird es die Serie vermutlich schwer haben, aber im Schulunterricht und in der Jugendarbeit lässt sie sich ausgezeichnet einsetzen, zumal die acht Geschichten konsequent und ausschließlich aus dem Blickwinkel der Kinder erzählt sind. Die heikelste Episode ist die letzte: Die Geschichte der 14jährigen Tschechin Eva spielt in Auschwitz. Die Baracken sind als Modell nachgebaut worden. Zur schwierigen Erzählung vom Schicksal der Menschen in den Öfen steigt zarter Rauch aus gebastelten Kaminen.

Für den niederländischen Koautor und Dramaturgen Maarten van Duin bestand die entscheidende Aufgabe der Drehbucharbeit darin, eine Brücke zwischen den jungen Zuschauern „und jener unvorstellbaren Zeit“ zu bauen. Die Tagebücher seien dabei eine unschätzbare Hilfe gewesen, weil sie „ohne historische Reflexion geschrieben worden sind. Der Leser bekommt das Gefühl, mittendrin zu sein. Die Emotionen werden ungefiltert übertragen, die Kluft von siebzig Jahren fällt plötzlich weg.“

Der Kinderkanal zeigt die acht Episoden ab 31. August samstags und sonntags um 20.00 Uhr in Doppelfolgen. Die Webseite derkriegundich.de bietet zusätzliches Material in Wort und Bild. Planet Schule, das öffentlich-rechtliche Bildungsangebot von SWR und WDR, stellt umfangreiche Unterrichtsmaterialien und ein Glossar zu „Der Krieg und ich“ zur Verfügung.

 

 

 

 

Weitere aktuelle Beiträge

Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 
mehr »

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »

Türkei: Regierung schaltet TV-Sender ab

In der Türkei ist einer der populärsten regierungskritischen TV-Sender für zehn Tage abgeschaltet worden. Gegen Sözcü TV sei eine Strafe wegen wiederholten „Verstößen gegen Sendevorschriften“ verhängt worden, schrieb der Chef der Rundfunkbehörde (Rtük), Ebubekir Sahin, auf der Plattform X. Der Sender kritisiert das Vorgehen als Zensur.
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »