Nachruf auf Peggy Parnass

Peggy Parnass ist gestorben. Die Autorin, Journalistin, Schauspielerin, Übersetzerin und unermüdliche Kämpferin für die Menschlichkeit wurde 97 Jahre alt. Ihre Art, aus Gerichtsprozessen zu berichten, beeinflusste ganze Generationen von Gerichtsreporter*innen. Deutschland verliert eine große Persönlichkeit.

Aufgewachsen als Kind jüdischer Eltern in Hamburg, erst auf St.Pauli, dann in Eimsbüttel, überlebte Ruth Peggy Sophie Parnass den Völkermord der Nazi-Deutschen an ihren jüdischen Landsleuten, weil sie rechtzeitig mit einem Kindertransport zu Pflegeeltern nach Schweden verschickt wurde. Das war 1939. 1942 wurden Parnass‘ Eltern in Treblinka ermordet.

Kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs zogen Peggy Parnass und ihr Bruder zu Verwandten nach London.  Später zog es die junge Peggy nach Schweden zurück. Sie wurde schwedische Staatsbürgerin. Parnass studierte in Stockholm, London, Paris und Hamburg, wo sie dann blieb.

Eigentlich wollte sie Schauspielerin werden. Tatsächlich spielte sie einige Rollen auf Bühnen und in TV-Produktionen. Ansonsten war sie zunächst unter anderem Sprachlehrerin, Kripo-Dolmetscherin, Kolumnistin und Filmkritikerin.

Einen ganz großen Namen machte sie sich mit Gerichtsreportagen 17 Jahre lang lieferte sie für di Zeitschrift „konkret“ Berichte aus den Hamburger Strafgerichtssälen. Ihr Fokus lag dabei nie auf der Sensation, sondern auf den menschlichen Aspekten von Verbrechen und Verfahren. Dabei pfiff sie, wenn sie es für nötig hielt, auch auf Konventionen, wie journalistische Distanz oder gar hanseatische Zurückhaltung.

Peggy Parnass war engagiert für die Menschlichkeit und gegen das Vergessen der größten Verbrechen des Jahrhunderts – denen, die die Nazis und ihre Schergen begangen hatten. Nicht selten begegnete sie diesen im Gericht und manchmal saßen sie nicht auf der Anklagebank, sondern trugen Richterroben. Dann klagte Peggy Parnass an. „Die Richterin der Richter“ nannte der Stern sie einst.

Ihr Leben lang engagierte Peggy Parnass sich für die Rechte derer, die zu kurz kamen oder unterdrückt wurden. Dafür erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Joseph-Drexel-Preis für hervorragende Leistungen im Journalismus, die Biermann-Ratjen-Medaille der Freien und Hansestadt Hamburg sowie das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenmitgliedschaft im Deutschen PEN-Zentrum. Über den Verband Deutscher Schriftsteller war Peggy aktives Mitglied der ver.di und ihrer Vorgängergewerkschaften.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rechtsstaat lässt Journalist*innen im Stich

Mehr als siebeneinhalb Jahre nach dem schweren Angriff von Neonazis auf zwei Journalisten in Fretterode (Thüringen) im April 2018 beginnt zwei Tage vor Weihnachten am Montag, den 22. Dezember 2025 am Landgericht Mühlhausen das Revisionsverfahren gegen zwei Neonazis aus dem Umfeld von Thorsten Heise in Fretterode (Thüringen).
mehr »

Russland erklärt DW zur «unerwünschten Organisation»

Nach der gestern, am 14. Dezember 2025, bekanntgewordenen Hochstufung des deutschen Auslands-TV durch den russischen Staat von einer Auslandsagenten-Organisation zur unerwünschten Organisation fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den wirksamen Schutz von durch Sanktionen betroffenen Journalistinnen und Journalisten.
mehr »

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »