Eine neue Studie der Otto Brenner Stiftung rückt „ARD, ZDF und DLR im Wandel. Reformideen und Zukunftsperspektiven“ ins Blickfeld. Die Untersuchung zeige „Schneisen der Machbarkeit und beschreibt Pfade der Erneuerung, die Licht in den Dschungel der schier unübersichtlichen Liste an Vorschlägen bringen sollen“. Außerdem ordnet Autor Jan Christopher Kalbhenn diese mit Blick auf den für Herbst angekündigten Entwurf der Länder zum Reformstaatsvertrag medienrechtlich ein. Zum Aufmerken: er will keine Beschränkungen online für die Öffentlich-Rechtlichen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss ständig reformiert werden, resümiert Kalbhenn. Er ist Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule des Bundes in Münster. Stillstand werde auch nach dem geplanten Reformstaatsvertrag keine Option. Der biete aber eine Chance, die Zukunft des ÖRR längerfristig abzusichern. Er weist auf Leerstellen hin, gibt Empfehlungen für die Gesetzgebung der Bundesländer, bringt Möglichkeiten der Sender in Erinnerung und nennt Aufgaben der Aufsichts- und Kontrollgremien.
Allerdings werde das durch das Einstimmigkeitsprinzip der föderalen Medienordnung erschwert. Außerdem würden erneut „reflexartig medienpolitische Reformüberlegungen mit dem aktuellen Beitragsfestsetzungverfahren verknüpft. Die Anstalten zeigen sich zwar grundsätzlich reformbereit und betonen, dass sie sich bereits mitten im Reformprozess be- fänden, kritisieren aber die Vorschläge des Zukunftsrats. So erscheint es schwer, dass ein ‚großer Wurf‘ gelingt.“ einen Hoffnungsschimmer sieht der Autor dagegen im Eckpunktepapier der Rundfunkkommission.
„Ganz entscheidend“ für den Erfolg des ÖRR, so resümiert Kalbhenn, werde der Erfolg im Nichtlinearen sein. „Zentral ist dabei die Frage, wie die bereits beauftragte gemeinsame Plattformstrategie konkret aussehen soll. Sinnvoll erscheint dabei der Vorschlag des Zukunftsrats, in den Mittelpunkt der ARD-Mediathek vor allem die Inhalte der Landesrundfunkanstalten zu stellen.“
Ausdrücklich plädiert der Autor für den Vorschlag des Zukunftsrats, eine gemeinsame Plattformgesellschaft für Entwicklung und Betrieb einer gemeinsamen technologischen Plattform von ARD, ZDF und Deutschlandradio zu gründen. Außerdem sollten ARD, ZDF und Deutschlandradio im Nichtlinearen eine engere Zusammenarbeit mit ORF und SRG anstreben.
Keine Restriktionen online
Und er plädiert dafür, sämtliche Restriktionen im Onlinebereich für die Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen. So könnte ihre Innovationskraft „entfesselt“ werden. „Begrenzungen der Nutzungsdauer sollten von den Rundfunkanstalten im Rahmen der Programmautonomie festgelegt werden. Auch der Dreistufentest sollte komplett abgeschafft werden.“
Kalbhenn schlägt vor, das Verbot der Presseähnlichkeit abzuschaffen. Das sei im Zeitalter nahezu vollständig konvergenter Medienangebote nicht mehr zeitgemäß. Ferner empfiehlt er der Medienpolitik einzugreifen, wenn die Anstalten sich nicht zum Streichen oder Zusammenlegen linearer Spartenkanäle aufraffen könnten.
Deutsche Welle auch für das Inland
Um die Integration hierzulande zu fördern, sollte es der Deutschen Welle ermöglicht werden, ihre Fremdsprachenprogramme auch im Inland zu verbreiten. „Innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender sollten der Deutschen Welle grundsätzlich die Sende- und Onlinerechte von Eigenproduktionen und Auftragsproduktionen zustehen, wenn nicht in Einzelfällen etwa das Bedürfnis nach Exklusivität dagegen spricht.“
Diese und weitere Reformvorschläge ließen sich besser mit einer Direktoriumsverfassung umsetzen, so Kabhenn im Fazit. Im Falle der Umstellung der Anstaltsverfassungen müssten auch die Gremienvertreter*innen entsprechend geschult werden.
Beitragsfestsetzung anpassen
Schließlich plädiert Kabhenn für ein angepasstes Beitragsfestsetzungverfahren. So sollte es möglich sein, bei geringen Erhöhungen die Länderparlamente nicht einzubeziehen. Zugleich könnte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) beauftragt wer- den, stichprobenartig außerhalb der Berichtszeiträume einzelne Bereiche auf die Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gezielt zu prüfen.
Um die Transparenz zu erhöhen, sei ein Beitragszahlerrat (Mitgliedschaft per Losverfahren) denkbar, der als ständiges Gremium Impulse zu Programm und Technik liefere. Außerdem sollten die Bedürfnisse der Beitragszahler*innen stärker über Feedback-Kanäle abgefragt werden. Der Autor verweist auf den Erfolg der US-Streamingdienste, die konsequent große Mengen an Nutzerdaten erhöben und auswerteten. Andererseits spricht er sich für einen Zukunfsrat der festen und freien Mitarbeiter*innen aus, um deren Expertise für Impulse zur Weiterentwicklung stärker einzubeziehen.