Politik muss mehr für Tarifbindung tun

Foto: Christoph Boeckheler

Zurzeit ringen die Gewerkschaften mit der Funke Mediengruppe um die Aufnahme von Tarifverhandlungen in Berlin und in NRW. Mit dem Austritt aus dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) zum Ende 2022 hatte Funke die Tarifbindung verlassen. Mit dieser Tarifflucht sind sie auch in der Medienbranche nicht die einzigen. Insgesamt arbeiten nur noch knapp die Hälfte aller Arbeitnehmer*innen in Deutschland in tarifgebundenen Betrieben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine Tarifwende von der Politik.

Der DGB stützt sich dabei auf die Ergebnisse einer von ihm beauftragten repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts. Sie sende ein klares Signal für die Tarifwende, heißt es in einer Pressemitteilung. 62 Prozent der Beschäftigten – bei den 18-39Jährigen sind es sogar 69 Prozent – stimmten dafür, dass der Staat sich stärker für eine höhere Tarifbindung einsetzen solle, auch durch entsprechende Gesetze. Fast zwei Drittel (64 Prozent) bewerteten es demnach als schlecht, dass die Tarifbindung derzeit abnehme, es also immer weniger Tarifverträge in deutschen Unternehmen gebe. Für die repräsentative Umfrage hatte Forsa vom 15. bis 22. Januar 2024 insgesamt 1.004 abhängig Beschäftigte befragt.

Verluste durch Tarifflucht

Für DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell ist das „ein eindeutiger Handlungsauftrag.“ Die Bundesregierung müsse endlich zügig ein wirksames Bundestariftreuegesetz auf den Weg bringen, das auch für kleine Unternehmen, Start-ups und Sozialeinrichtungen gelte. Es ginge keinesfalls darum, dass der Staat mit diesem Gesetz in Tarifverhandlungen eingreife. „Vielmehr sollen Aufträge der öffentlichen Hand nur noch an Unternehmen gehen, die Tariflöhne zahlen. Wir brauchen mehr Tarifverträge in der Fläche, im Unternehmen und im Betrieb – da hat der Staat nicht nur als großer Auftraggeber eine besondere Verantwortung. Allein der Bund vergibt jährlich Aufträge im dreistelligen Milliardenbereich. Beim Fiskus und den Sozialversicherungen entstehen durch Tarifflucht und Lohndumping jedes Jahr Fehlbeträge in Milliardenhöhe. Auch deshalb ist der Staat gefordert, die Tarifbindung endlich zu stärken“, erklärt Körzell.

Tariftreue stärken

Die Bundesregierung habe in ihrem Koalitionsvertrag eine wirksame Bundestariftreueregelung versprochen, um die Tarifbindung zu stärken. Trotz mehrfacher Signale aus der Koalition liege dafür immer noch kein Referentenentwurf vor, kritisiert der Gewerkschaftsbund. Dabei profitierten in Deutschland nur noch 51 Prozent der Arbeitnehmer*innen von Tariflöhnen (Branchen- und Firmentarifverträge). Die neue EU-Mindestlohnrichtline sehe zudem für die Mitgliedstaaten das Ziel einer Tarifbindung von 80 Prozent vor. Liege die Tarifbindung unter 80 Prozent, seien nationale Aktionspläne für diese Zielsetzung aufzustellen. Um wieder einen besseren Tarifschutz für die Beschäftigten zu erreichen, hat der DGB im November eine Kampagne für eine Tarifwende in Deutschland gestartet und seine Forderungen für eine höhere Tarifbindung erneuert.


Mehr zum Thema auf M Online: https://mmm.verdi.de/tarife-und-honorare/tarifflucht-lohnt-sich-nicht-85933/

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Die Newsfluencer kommen

In Deutschland vertraut eine Mehrheit der Menschen beim Nachrichtenkonsum in der digitalen Welt noch immer mehrheitlich auf klassische Medien. Das ist eine Erkenntnis aus einer im Oktober 2025 veröffentlichten Studie des Reuters Institute. Die britische Denkfabrik wollte herausbekommen, wie Menschen sich im Netz informieren. Dafür sind Personen in 24 Ländern befragt worden.
mehr »

Trumps digitaler Medienpranger

Donald Trump verfolgt mit seinen Attacken auf Medien und Journalist*innen drei Hauptziele: Ablenkung von eigenen Verfehlungen, Bindung seiner rechten Unterstützer*innen und Selbstbereicherung. Große Medienkonzerne unterstützen ihn, um eigene Profitinteressen zu fördern. Das Resultat ist eine Bedrohung von Pressefreiheit und Demokratie.
mehr »