Die Nachrichtenwüsten, die auch in Deutschland drohen, sind in den USA längst Realität. Vergleichbar mit der letztjährigen Veröffentlichung des Projekts „Wüstenradar“ hat die Northwestern School For Journalism, Media & Integrated Marketing Communications (MEDILL) in Evanston im Bundesstaat Illinois ausgewertet, wie sich das Zeitungssterben für die USA konkret darstellt. Laut dieser Erhebung sind in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als 3200 gedruckte Zeitungen in den USA verschwunden – mehr als ein Drittel.
Noch 2022 prognostizierte das MEDILL, dass die Vereinigten Staaten bis Ende 2025 ein Drittel ihrer gedruckten Zeitungen in den letzten zwei Jahrzehnten verloren haben werden – diese Marke ist nun bereits überschritten. Zwei Drittel aller Zeitungsjournalist*innen, rund 43.000, haben demnach seit 2005 ihre Jobs verloren. Infolge des Personalabbaus in den Redaktionen haben viele Zeitungen die Vielfalt der Inhalte, die sie drucken, stark zurückgefahren. Besonders drastisch zwischen 2022 und 2023 ging die Zahl der Zeitungsarbeitsplätze um mehr als 7.000 zurück, verglichen mit wenigen Hundert, die im Vorjahr verloren gegangen waren. Nach Angaben des Bureau of Labor Statistics sind in der Zeitungsbranche insgesamt weniger als 100.000 Menschen beschäftigt. In 20 US-Bundesstaaten gibt es weniger als 1.000 Zeitungsmitarbeiter*innen, bei rückläufiger Tendenz.
Keine oder eine Nachrichtenquelle – und X
Zusätzlich zu Schließungen und Fusionen reduzieren die Zeitungen ihre Printausgabe, indem sie von Tageszeitungen auf Wochenzeitungen umstellen oder die Printausgabe ganz einstellen. Es gibt aktuell weniger als 5.600 Zeitungen, von denen 80 Prozent Wochenzeitungen sind. Jede Woche schließen nach wie vor zwei Medienhäuser, 2023 waren es insgesamt sogar 130. Sie hinterlassen Informationswüsten – Plattformen wie X oder Truth Social füllen die Lücken, deren Inhalte mit seriöser Information kaum noch etwas zu tun haben.
Von den landesweit 3144 Verwaltungsbezirken verfügen 206 (2024) über keine einzige Nachrichtenquelle, 1.561 Bezirke müssen mit nur einer Quelle auskommen. Das bedeutet, dass fast 55 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu lokalen Nachrichten haben. Dazu kommt der Rückgang bei den Leser*innen: Allein 2023 haben 500 der größten Tages- und Wochenzeitungen in den Vereinigten Staaten schätzungsweise zwei Millionen gedruckte und digitale Leser*innen verloren, wie aus Daten der Alliance for Audited Media hervorgeht. Seit 2005 ist die Gesamtauflage um mehr als 75 Millionen bzw. mehr als 60 Prozent zurückgegangen.
Netzwerke wachsen – erreichen aber nur städtische Gebiete
Neben den Zeitungen werden im Bericht der MEDILL auch mehr als 660 eigenständige digitale Nachrichtenseiten, 227 öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und mehr als 700 sogenannte ethnische Medien erfasst – Veröffentlichungen, die sich an eine bestimmte ethnische Gemeinschaft richten, erfasst. Bei den eigenständigen digitalen Websites stellt die Studie einen Zuwachs fest, bei ethnischen Medien einen Einbruch um 10 Prozent. Die Liste der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten blieb unverändert.
Schnellen und starken Zuwachs registriert die Studie bei Nachrichten-Netzwerken wie Patch, Axios Local, States Newsroom und TAPinto, die sich auf lokale Nachrichteninhalte konzentrieren und damit Millionen von Lesert*innen erreichen. Allerdings konzentriert sich die Reichweite dieser Netzwerke stark auf städtische und vorstädtische Gebiete – mehr als 95 Prozent von ihnen sind in 179 Großstadtbezirken angesiedelt.
Das MEDILL wertet Daten von Presseverbänden, Branchengruppen und Regierungsquellen aus, Nachrichtenagenturen werden darauf hin überprüft, ob sie tatsächlich originale lokale Nachrichteninhalte veröffentlichen, die den kritischen Informationsbedarf der Gemeinden, über die sie berichten, erfüllen. Gebiete, in denen es an konsistenter lokaler Berichterstattung fehlt, die wichtige Informationsbedürfnisse erfüllt – nehmen weiter zu.