Am besten nichts Neues

Von Kampagnen, Meinungsmachern und gleichgeschalteten Journalisten

Der Ton der Medien klang gleichgeschaltet. Schon im Wahlkampf. Andrea Ypsilanti hob sich ab von der Agenda-SPD. Das durfte nicht sein, zumindest nicht nach Meinung der Wortführer in den deutschen Medien.

Die mediale Darstellung der Herausforderin von Roland Koch wurde im Laufe des Wahlkampfs immer katastrophaler. Im direkten Gespräch hingegen kam sie an. Diese ganz offensichtliche Diskrepanz zwischen Meinungsmache in den Medien und der persönlichen Wirkung, durch die die Meinungsmache entlarvt wird, ist typisch. Der Fall Ypsilanti ist ein perfektes Beispiel dafür, wie die Manipulation funktioniert, aber auch dafür, dass es nicht immer klappt.
Im Falle Ypsilanti hatte der Nachschlag nach dem knapp verpassten Wahlsieg Erfolg. Tom Schimmeck beschreibt den Fall der von den Medien tief gestürzten ehemaligen SPD-Spitzenkandidatin minutiös. Über 300 Artikel hat er gelesen. Ein hartes Brot, denn Spiegel, FAZ, Tagesspiegel, Die Zeit und natürlich die Bild-Zeitung hetzten gegen sie. Der RWE-Lobbyist Wolfgang Clement war sich nicht zu schade, in der Welt am Sonntag gegen seine Parteifeindin scharf zu schießen. Die SPD-Oberen waren kurz sprachlos, unternahmen aber nichts gegen Clement. Schimmeck: „Wenn ein Linker so etwas wagte, würden die Seeheimer ihn stante pede teeren, federn und füsilieren.“ Nach Ypsilantis Entscheidung, sich von der Linkspartei tolerieren zu lassen, wurde die Darstellung immer schlimmer. Sie wurde zur durchtriebenen Idiotin gestempelt, „in einer Einstimmigkeit, die der deutsche Westen seit der Kapitulation 1945 nicht mehr erlebt hat“, schreibt Schimmeck. Selbst Deutschlandfunk und Frankfurter Rundschau reihten sich in das Wortbruch-Geschrei ein. Hätten sie auch so laut geschrieen, wenn Ypsilanti eine Koalition mit Koch eingegangen wäre, ebenfalls ein Wortbruch? Kaum.
Unter den vielen Beispielen ragt eines besonders heraus. Schimmeck beschreibt einen Tagesspiegel-Volontär, der gegen Ypsilanti hetzte. Christian Tretbar war vor seinem Engagement in Berlin Pressesprecher der SPD-Bundestagsabgeordneten Nina Hauer, die den Wahlkreis von Ypsilantis Rivalen Jürgen Walter im Bundestag vertrat und die den „Wortbruch“ ebenfalls anprangerte. War Tretbar Werkzeug der Gruppe um Walter und Hauer?
Vielleicht aber agierte er auch aus eigenen niederen Beweggründen. Denn alle von Schimmeck beschriebenen Fälle von Meinungsmache und gleichgeschalteten Medien in Deutschland, sie aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, zeigen, dass viele Journalisten gerne mitmachen. Sie wollen dabei sein, zur Clique der Mächtigen gehören und vergessen, dass sie sie eigentlich zu kontrollieren haben. Stattdessen setzten sie auf Show auf allen Kanälen und in allen Ressorts. Selbst der innenpolitische Teil des Spiegels funktioniere laut Schimmeck mittlerweile wie eine Seifenoper.
Der Autor hält der deutschen Öffentlichkeit den Spiegel vor, weist auf höchst bedenkliche Entwicklungen hin und appelliert am Ende für mehr Mut der Journalisten. Nach dem, was er vorher schrieb, erscheint das fast zu wenig. Lesenswert ist das Buch aber allemal.


Tom Schimmeck

Am besten nichts Neues
Medien, Macht und Meinungsmache
Westend Verlag 304 Seiten
17,95 Euro

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