Alarmsignale per E-Mail

Kritische Fragen sind das Markenzeichen von Media Lens

„Fragen Sie Journalisten, warum sie die Bombenanschläge von London nicht mit dem Irakkrieg in Verbindung bringen.“ „Fragen Sie Journalisten, warum sie nicht über den Zusammenhang von globalem wirtschaftlichem Wachstum und dem Klimawandel sprechen.“ Urheber solcher und anderer unbequemer Fragen sind die britischen Medienkritiker von Media Lens.
 

Lens bedeutet übersetzt: Kamera-Objektiv und Brillenglas. Der Name ist Programm. Seit 2001 schärfen die renommierten Journalisten David Edwards und David Cromwell den Blick der Öffentlichkeit für die Berichterstattung der bürgerlichen Medien. Die Presse sei ein Propaganda-System für die Interessen von Konzernen und des Establishments. Aufsässig analysieren sie die Konzentration von Machtinteressen. Ihr Fazit: Die gesamten Mainstream-Medien befänden sich „in der eisigen Umklammerung eines gigantischen Gentleman-Agreements; es wird einfach vorausgesetzt, dass bestimmte Dinge über die Medien nicht gesagt werden können!“ Aber Media Lens hat eine Mission: „die verzerrten Bilder der etablierten Medien zu korrigieren.“ Das Experiment scheint aufzugehen. Mehr als 7000 Personen empfangen ihre sogenannten „E-Mail Alerts“.
Die Alarmsignale via E-Mail dokumentieren, wer was wann wie und wo gesagt hat. Anschließend kontrastieren Informationen aus alternativen Quellen die Aussagen. Am Ende steht immer eine kritische Frage. Die können Einzelne an die aufgelisteten E-Mail Adressen der zuständigen Redakteure der jeweiligen Medien richten. Zusätzlich finden sich auf der Website der Medienwächter Hintergrundinformationen, Rechercheressourcen, Blogs und philosophische Ausführungen.
Helen Boaden, Programmleiterin der BBC Nachrichten ist schon öfter Zielscheibe des Protests gewesen. „Media Lens Manifest hat sich vielen bewundernswerten Bestrebungen verschrieben. Wir berücksichtigen ihre Kommentare immer und ziehen ihre vorgebrachten Streitfragen ernsthaft in Betracht“, kommentiert sie. Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (USA), ist ein Verbündeter der Medienkritiker. Für ihn ist deren Arbeit „exzellent, informativ und notwendig“.
Die vergangenen Monate haben die Medienwächter mit dem Manuskript ihres aktuellen Buches verbracht. Als „Hüter der Macht“ werden in dem englischsprachigen Buch unübliche Verdächtige der Medienlandschaft enttarnt. Nicht umsonst weist der Titel eine Nähe zur britischen Tageszeitung The Guardian auf. Denn gerade liberalere Presseorgane gelangen in den Sucher von Media Lens. Anhand anschaulicher Einzelbeispiele berichten die Autoren von machtdurchsetzten Medienagenden und setzen bisher ausgeblendete Informationen dagegen.
John Pilger, investigativer Journalist aus Australien schreibt dazu im Vorwort: „Sie haben sich nicht mit Weichzielen abgegeben wie Rupert Murdochs Sun. Stattdessen haben sie sich auf den Mediensektor konzentriert, der stolz auf seine ‚Objektivität‘, ‚Unvoreingenommenheit‘ und ‚Balance‘ ist (wie die BBC) und auf seine Liberalität und Fairness (wie der Guardian). Tatsächlich haben sie die Arbeit wahrer Journalisten geleistet: Sie haben Missverständnisse aus dem Weg geräumt.“

Infos: www.medialens.org

Guardians of Power– The Myth of the Liberal Media,
David Edwards & David Cromwell Media Lens, Pluto Press

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Trump: Angriff auf kritische Medien

Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, US-Medien, von denen er sich kritisiert und angegriffen sieht, auszuschalten, sollte er gewählt werden. Von welchen Möglichkeiten er dabei unter anderem Gebrauch machen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag aufgeführt. Es zeigt sich: Trumps Drohungen sind alles andere als unrealistisch. Und sein Vorbild für diese sitzt in Europa.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Die Medienwende nach dem Mauerfall

35 Jahre nach dem Mauerfall bietet die Medienlandschaft im Osten Deutschlands ein zwiespältiges Bild. Nach wie vor verlieren die von westdeutschen Großverlagen kontrollierten ehemaligen DDR-Traditionstitel überdurchschnittlich an Auflage und Anzeigenvolumen. Der aufgelöste staatliche DDR-Rundfunk ist nach anfänglichem Hickhack erfolgreich in ARD und ZDF integriert. Gescheitert ist indes früh der Traum der Ex-Bürgerrechtler von einem „Dritten“ Medienweg.
mehr »