Petra Reski, ausgezeichnet für kritische Beiträge über die Mafia
Ihre Vorliebe für geblümte Kleider, die in den Augen ihrer deutschen Freundinnen nur moldawische Putzfrauen tragen, scheint sie abgelegt zu haben. Ganz in Schwarz, schwarzes zeitlos elegantes, ärmelloses Etuikleid darüber lässig das kurze schwarze Lederblouson, betritt Petra Reski in Highheels das Münchner Cafe „Florian“ in Schwabing. Kaum sitzt die zierliche Frau mit den blonden Strähnen im lockigen Haar, nähert sich ihr eine Fremde vom Nebentisch. „Gratuliere, ich bewundere sie für ihren Mut“, beglückwünscht die grauhaarige Münchnerin die freie Autorin. Souverän bedankt sich die attraktive Publizistin. Vor kurzem erhielt die ehemalige Stern-Reporterin den Emma-Journalistinnenpreis für ihre kritischen Beiträge über die Mafia in der Zeit. In Italien wurde die beherzte Schriftstellerin für ihr unerschrockenes Anti-Mafia Engagement bereits mit dem Premio Civitas ANDE Nocera und dem Amalfi-Coast Media Award ausgezeichnet. Doch sie erhielt nicht nur Ehrungen, sondern auch Drohungen und fand sich hierzulande deshalb sogar vor Gericht wieder. Grund: Ein Duisburger Hotelier aus Kalabrien fühlte sich in ihrem Buch „Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ zu Unrecht in die Nähe der Mafia gerückt. Einschüchtern lässt sich die Couragierte dadurch nicht: „Ich will“, betont sie, „kein Opfer sein.“ Das Phänomen Mafia entwickelte sich für die Tochter eines Ostpreußen und einer Schlesierin zu einem zentralen Thema. Dabei fing alles ganz harmlos an. Mit zwanzig setzt sich die damalige Romanistik Studentin in ihren klapprigen R4 und fährt von Kamen im Ruhrgebiet nach Corleone, quasi ins Herz der Mafia. Grund: Ihre begeisterte Lektüre des Bestsellers „Der Pate“ und nicht zuletzt ihre Liebe zu Italien. Für ihr neues Buch wiederholte die selbstbewusste, agile 52jährige nun diese Reise auf den Spuren des Paten. Diesmal freilich im weißen Alfa-Romeo-Spider und mit all ihrem gesammelten Wissen über die „ehrenwerte Gesellschaft“ im Gepäck.
Ein Hauch von Glamour
Inzwischen ist Italien dem Flüchtlingskind aus dem Ruhrpott längst eine richtige Heimat geworden. Heute lebt die einstige Absolventin der Hamburger Henri-Nannen-Schule mit ihrem Mann Lino, einem Venezianer, den sie schlussendlich nach etlichen Jahren wilder Ehe doch noch heiratet, in der Lagunenstadt, der Serenissima der Dogen. Im vollbesetzten Trausaal des Kamener Rathauses gibt sich das deutsch-italienische Paar das Ja-Wort. Das perlenbestickte Seidenkleid verleiht der Braut einen Hauch von Glamour. Eine Episode, fast wie aus einem Rosamunde-Pilcher Roman. Dass der Zufall ihr diese italienische Ausgabe von George Clooney an einem Septembertag vor zwanzig Jahren über den Weg schicken konnte, verdankt sie ihrem Beruf. Damals ist sie zum ersten Mal als Journalistin in Italien unterwegs. Sie kommt gerade aus Palermo, wo sie Leoluca Orlando, den legendären Bürgermeister und profilierten Mafia-Gegner, der mit seinem Kampf den sogenannten „Frühling in Palermo“ einleitet, interviewte. Ein historischer Moment. Ihr nächster Auftrag sollte ein Gespräch mit der exzentrischen römischen Filmregisseurin Lina Wertmüller sein. Doch der Termin platzt. Dafür lernt die weltoffene Redakteurin abends in einem Restaurant den „Italiener an ihrer Seite“ kennen. In ihrem gleichnamigen Roman „Der Italiener an meiner Seite“ schildert die unkonventionelle Genießerin, der jeglicher Purismus fremd scheint, diese Culture-Clash-Beziehung humorvoll augenzwinkernd und selbstironisch. „Meine Mutter“, erinnert sie sich lachend, „hielt ihn anfangs für einen Mädchenhändler“. Die Mutter, die sie in der Pubertät mit den Worten tröstet: „Was sind schon Pickel, sei froh, dass du keinen Buckel hast, den kannst du nicht verstecken“ und die ihr nun ins Mekka von Espresso, Café Latte und Capuccino schon mal ein Pfund deutschen Kaffee mitbringt. Das Verhältnis der beiden ist eng. „Nichts hasst meine Mutter so sehr“, weiß die Tochter, „wie Unentschlossenheit“. Dieser Wesenszug prägt.
Deutsch-polnische Spurensuche
Vater Reski stirbt bei einem Grubenunglück. Die damals dreijährige kann sich nur noch dunkel an ihn erinnern. Dafür um so mehr an sein Erbe. „Ich bin Journalistin geworden“, glaubt sie, „weil mich mein Vater, als ich drei Monate alt war, unter die Küchenlampe gehalten hat und sagte: Die wird mal Auslandskorrespondentin“. Schon allein das Wort kannte eigentlich niemand in der Arbeiterfamilie. Trotzdem, die väterliche Prophezeiung erfüllt sich. Nicht zuletzt durch die sozialdemokratische Bildungsreform Anfang der 70er Jahre, die Arbeiterkindern Zugang zu Universitäten verschaffte. Aus dem schlaksigen Teenager von einst, der sich seiner langen Beine schämt, ist eine Frau mit Stil – eine donna con classe – geworden, die auf jedem Parkett bella figura macht. Der Vater wäre sicher stolz auf sie gewesen, auch ohne Enkelkind. Denn Kinder waren kein Thema für die enthusiastische Vielschreiberin. Selbstverwirklichung dagegen war ihr wichtig, etwas von dem heute kaum mehr die Rede ist. „Es geht darum, dass ich mich für Menschen interessiere“, erklärt sie, „und auch deshalb Journalistin geworden bin“. Und dabei liegen ihr Familiengeschichten besonders am Herzen. Ihr eigene, verschüttete recherchiert sie freilich erst spät, dafür umso gründlicher. Nach einem Interview mit dem polnischen Arbeiterführer Lech Walesa fährt sie in das Dorf zwischen Warschau und Danzig, aus dem ihr Vater stammt. Prompt trifft sie dort auf der Straße eine alte Dame, die ihren Großvater Aloysius noch kannte. In ihrem Lieblingsbuch „Ein Land so weit“ verarbeitet sie ihre Begegnungen. Trotz ihrer Wurzeln im heutigen Polen, bleibt ihr Lebensmittelpunkt das „Land, wo die Zitronen blühen“. Schließlich erfuhr sie dort, in Zeiten als ihr deutscher Verlag nach der gerichtlichen Auseinandersetzung Stellen in ihrem Buch über die Mafia schwärzen musste, sehr viel Solidarität und Unterstützung.