Buchtipp: Warum wir den Medien nicht mehr trauen

Die Glaubwürdigkeitskrise der Medien ist Ausgangspunkt dieser aktuellen Streitschrift von Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Journalistik der Uni Leipzig. Der Autor grenzt sich von polemischen Zuspitzungen à la „Lügenpresse“, „Gleichschaltung“ und anderen Verschwörungstheorien ab. Er begreift sich als „skeptischer Nutzer“, einer von denen, „die argwöhnten, die offensichtlichen Einseitigkeiten und der frappierende Gleichklang bei bestimmten Themen könne etwas mit informeller Kommunikation, Absprachen und Druck auf einer öffentlich nicht sichtbaren politisch-medialen Hinterbühne zu tun haben“.

Uwe Krüger, Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen, C.H. Beck, München 2016, 170 Seiten, 14,95 Euro

Hier knüpft Krüger an seine Dissertation „Meinungsmacht“ an, einer Studie über die Netzwerke der „Alpha-Journalisten“ im Elitenmilieu, deren Erkenntnisse im Kontext der ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ ein breiteres Publikum erreichten (vgl. M5/14; M 8/14). Eine der Kernthesen: Journalisten seien überwiegend Teil des sozialen Milieus, über das sie schreiben, Teil der Bildungselite; die Symbiose zwischen dem journalistischen und dem politischen Establishment behindere ein Ausbrechen aus dem Mainstream politischer Lösungsvorschläge.

Anhand der Berichterstattung über die Ukraine-Krise, Griechenland, EU-Finanzkrise, etc. belegt er, wie eng der Meinungskorridor dieses medialen Mainstreams in der Regel ausfällt. Kritische Perspektiven und abweichende Meinungen kämen zwar vor, hätten aber „keinen Einfluss auf die Folgeberichterstattung und die von Tag zu Tag fortgesetzte Erzählung der Geschehnisse in den Hauptnachrichtensendungen und großen Zeitungen“. Was umso fataler sei, da auch im Regierungsviertel die „Meinungskonsonanz“, die Angleichung von Parteiprogrammen in Grundsatzfragen, immer höher werde. Gerade hier käme den Medien die Aufgabe zu, „nicht repräsentierte Bevölkerungsmeinungen“ aufzugreifen und „die Mächtigen durch die Formulierung von politischen Optionen unter Druck (zu) setzen“. Der Autor deutet an, dass nach seiner Ansicht der Aufstieg von rechtspopulistischen Bewegungen wie PEGIDA und AfD einiges mit der wachsenden Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung zu tun hat. Eine These, die von den jüngsten Wahlerfolgen der AfD eindrucksvoll bestätigt wird.

Krüger räumt ein, dass die aktuellen Bedingungen der journalistischen Produktion (redaktionelle Kürzungen, Zeitmangel für Recherche, etc) für die Zukunft nicht gerade optimistisch stimmen. Im Schlusskapitel „Es geht ums Ganze“ zeigt Krüger mögliche Wege aus der Vertrauenskrise zwischen Medien und Nutzern auf. An die User gerichtet: „Es lohnt sich, in der Masse der etablierten Medien auf die Ausreißer vom jeweiligen Mainstream, auf die investigativen, subversiven, gegen den Strich bürstenden Beiträge zu achten.“ Diese Ausnahmen gelte es, über eigene Kanäle wie etwa in den sozialen Netzwerken weiterzuverbreiten. Notwendige Kritik entfalte die größte Wirkung da, wo sie schmähungsfrei, sachlich-konstruktiv und mit Klarnamen daherkomme. An die Journalisten gerichtet fordert der Autor im Zeitalter des Web 2.0 „mehr Dialog, mehr Auseinandersetzung mit den Menschen, die man früher Publikum nannte“. Die „Ausleuchtung von Interessen der Mächtigen“ müsse nicht nur in Politmagazinen, Features und nächtlichen Dokus, sondern auch in den reichweitenstärksten Sendungen geschehen. Von den „Alpha-Journalisten“ wünscht sich Krüger mehr Transparenz über ihre im Milieu der Mächtigen gewonnenen Informationen. Die Pflege einer „distanzierten Nähe“ zu den Informanten müsse auch für sie „ständige Herausforderung“ bleiben.

Ein brandaktueller Band, der zu Selbstreflexion über das eigene journalistische Handeln anregt.

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