Die Falschmünzerrepublik

Von Politblendern und Medienstrichern

Manches gute Buch, das man am liebsten selbst geschrieben hätte, erscheint auf keiner Bestsellerliste, damit auch nicht auf dem vordersten Ladentisch oder gleich neben der Kasse. Womit wir schon beim Thema wären, nämlich bei der Rundum-Manipulation des homo sapiens teutonicus, soweit dieser als Wahlvieh, Soldat oder Verbraucher noch von Interesse ist. Und darum geht es in Volker Bräutigams „Die Falschmünzer-Republik. Von Politblendern und Medienstrichern“.

Ich empfehle es allen, die sich fragen, warum sie sich mehr und mehr vom Fernsehen, von den Illners, Kerners und Wills abwenden und wieder zu einem Buch greifen. Und sich dabei auch unterhalten wollen, diesmal sogar unter Tränen: des Zorns und der Komik.
Man hätte sie gern selbst verfasst, diese Abrechnung, wenn man den Mumm und die Erfahrungen hätte, die der alte Laubenpieper mitbringt. In der Rolle eines schrebergärtnernden Pensionärs nämlich plaudert da einer aus der Schule: aus 45 Jahren Medienerfahrung als Macher bei Druckmedien, bei der „Tagesschau“ oder als Dozent in Ostasien. Er hat erlebt, wie sehr sich China von den Zerrbildern unterscheidet, die uns täglich von Leuten aufgetischt werden, die schon vom krummen Weg Europas nichts verstehen noch verstehen wollen und uns beispielsweise – Freud freut sich – die Ideale der Französischen Revolution als Egalité, Légalité (sic) und Fraternité verkaufen (Caren Miosga, „Tagesthemen“).

Volker Bräutigam lässt seinen Laubenpieper saftiges Deutsch sprechen: „Hilfe gegen die Vogelgrippe: Erst sommers wieder im Freien vögeln.“ Dreiunddreißig scharf gewürzte Kapitel, darunter „Tierlieb – werde Metzger“, „Fuck the Poor“, „Giftspinnen im Äther“ oder „Bilderle gucken, Bilderle fälschen“.
Bitterer wird es, wenn der ehemalige Redakteur und Personalrat des Norddeutschen Rundfunks in seinen Erinnerungen kramt und schildert, wie verantwortungsvolle journalistische Arbeit und der Informationsauftrag öffentlich-rechtlicher Medien zu methodischer Desinformation verkommen. Erst recht, wenn er bewusst zurückgehaltene Informationen nachreicht, zum Beispiel wie staatliche Forschungseinrichtungen mit der Rüstungsindustrie bei der Entwicklung grausamster „nicht-tödlicher Waffen“ (Non Lethal Weapons) zusammenarbeiten – Waffen zur „Kontrolle“ der Zivilbevölkerung, an deren Langmut die Regierungsbänkler rechtens zweifeln. Gegenpart des pointiert argumentierenden Kompostspezialisten ist seine Zwillingsschwester, die pfiffig Contra gibt, ihren hochweisen Dalai Lama verteidigt und erst stoppt, wenn der Bruder sie sanft sokratisch zu wichtigeren Fragen hinbugsiert: Was suchen deutsche Soldaten in Afghanistan? Warum kommt der Dalai Lama so häufig nach Deutschland? Warum verfälschen öffentlich-rechtliche Medien Fakten über China? Und – nach BSE, SARS, Vogel- und nunmehr Schweinegrippe – wen wird die deutsche Journaille wohl als nächsten durchs Dorf jagen? In wessen Auftrag und Interesse?
Bräutigam liefert kritische Analyse und den Nachweis, dass die Massenmedien unisono mit Falschinformation bestehende gesellschaftliche Missverhältnisse fördern. Falschmünzer im Sold jener Eliten, die unbegrenzt Reichtümer aufhäufen und ohne jede demokratische Legitimation unbeschränkte Macht ausüben.

 

Volker Bräutigam:„Die Falschmünzer-Republik“

Kückenshagen 2009,
Scheunen-Verlag, 308 Seiten,

Karikaturen von Klaus Stuttmann

ISBN 978-3-938398-90-6
12,00 €

 

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