Morgen jährt sich zum ersten Mal der Beginn der Massenflucht der Rohingya aus Myanmar, von denen mehr als 720.000 im benachbarten Bangladesh Zuflucht gefunden haben. Die meisten von ihnen leben im Flüchtlingslager Kutupalong im Südosten des Landes. Dort bildet die DW Akademie mit Unterstützung des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) junge Rohingya zusammen mit Einheimischen zu Radioreporter_innen aus, um ihnen eine Stimme zu geben. Ein erster dreiwöchiger Community-Radio-Workshop fand im März statt.
Das Flüchtlingscamp an der Grenze zu Myanmar, in dem mehr als 900.000 Menschen leben, ist das größte der Welt. Freie Grundstücke gibt es nicht mehr, die Menschen stehen stundenlang für die Zuteilung der Essensrationen an. Doch in der Medienberichterstattung über das Schicksal der Rohingya seien die Perspektive der Betroffenen und der Alltag in den Lagern nur selten Thema, erläutert Andrea Marshall, Projektmanagerin der DW Akademie für Bangladesh, die Entstehung des Projekts. „Dabei gibt es dort unzählige Geschichten, viele sind traurig, einige aber auch lebensfroh und leicht.“ Man wolle den Geflüchteten die Möglichkeit geben, ihre eigenen Geschichten zu erzählen, um ihnen so ein Stück ihrer Identität zurückzugeben. Dabei habe man sich für das Medium Radio entschieden, weil am besten geeignet sei, die Menschen vor Ort – schätzungsweise 70 Prozent der Rohingya seien Analphabeten – zu erreichen.
Weil die Rohingya und die Einheimischen den selben Dialekt sprechen, werden die beiden Gruppen gemeinsam zu Radioreportern ausgebildet. Die Kurse sind je zur Hälfte mit Geflüchteten und Einheimischen aus der Umgebung besetzt, die Radio-Beiträge werden dann von gemischten Reporter-Tandems recherchiert und erzählt. Das schaffe Dynamik und sorge für große Akzeptanz auch außerhalb des Camps. Außerdem ließen sich vor allem die Rohingya-Frauen, die besonders zurückhaltend seien, von den bangladeschischen Frauen ermuntern, mitzumachen.
In den fertigen Radiobeiträgen, von denen seit März mehr als 100 entstanden sind, geht es um Mäuseplagen und Monsut-Fluten, die Fußball-Weltmeisterschaft oder eine Hochzeit im Camp. Auch Personen werden porträtiert, wie etwa ein im Lager lebender Musiker. Marshall: „Bei diesen Übungen schimmert die Lebensfreude durch, die die Menschen sich erhalten haben – allen dramatischen Umständen zum Trotz.“