Ein-Euro-Job und die angemessene Vergütung von Nutzungsrechten

Ein/e Medienschaffende/r hat einen Ein-Euro-Job von der Arbeitsagentur auferlegt bekommen, in dem sie/er Texte erarbeitet, Radiobeiträge erstellt oder mediengestalterisch tätig ist. Dieser Job unterliegt keinem regulären Arbeitsverhältnis. Gezahlt wird ALG II und der Mehrwand sprich die Arbeitsleistung wird durchschnittlich mit einem Euro pro Stunde bezahlt.

«M» fragte den Spezialisten für Urheberrecht von ver.di, Wolfgang Schimmel:

Wer hat in solchen Fällen die Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte an den geschaffenen Werken (Texte, Layouts usw.)?

Kann der Arbeitgeber diese einfach uneingeschränkt auch nach Beendigung des Ein-Euro-Jobs beanspruchen?

Die Frage nach den Nutzungsrechten im Sinne des Urheberrechts ist interessant. Fast noch interessanter ist aber, ob sich die Arbeitsagentur hier korrekt verhalten hat. Nach § 16 Abs. 3 sollen „für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können,“ so genannte „Arbeitsgelegenheiten“ geschaffen werden, die „im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten“ abdecken. Wo hier das öffentliche Interesse liegen soll, was hier „zusätzlich“ sein soll, ist – vorsichtig formuliert – rätselhaft. Die Vorschrift sagt ja, dass „Arbeitsgelegenheiten geschaffen“ werden sollen. Bei dem überreichen Angebot an Selbstständigen in der Medienbranche kann davon keine Rede sein; hier werden offensichtlich Arbeitslose als Billigkonkurrenz missbraucht, die nach § 2 Abs. SGB II solche „Arbeitsgelegenheiten“ annehmen müssen; sonst wird das Arbeitslosengeld II um 30 % – also rund 100 € gekürzt (§ 31 Abs. 1 SGB II).

Diese Form von Preisdrückerei funktioniert aber in Medienberufen nur bedingt. Das Urheberrecht passt nämlich nicht zu der durch scheinheilige Phrasen verkleisterten Art von Zwangsarbeit nach dem SGB II. Wer von Urhebern oder ausübenden Künstlern Nutzungsrechte erwerben will, muss dazu einen Vertrag abschließen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist das der Arbeitsvertrag. Welche Nutzungsrechte eingeräumt werden, kann durch Tarifvertrag geregelt sein oder auch durch den individuellen Arbeitsvertrag. Gibt es keine spezifischen Regeln, dann erwirbt der Arbeitgeber die Nutzungsrechte, die erforderlich sind, um der Vertragszweck zu erreichen (§§ 43 und 31 Abs. 5 UrhG).

Allerdings wird durch die Aufnahme einer so genannten Arbeitsgelegenheit „kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts“ begründet (§ 16 Abs. 3 SGB II); damit fallen, wie beabsichtigt, alle Arbeitnehmerrechte jenseits des gesetzlichen Mindesturlaubs flach – aber eben auch die arbeitsvertragliche Pflicht, im erforderlichen Umfang Nutzungsrechte einzuräumen. Wer immer sich da für 1 € die Stunde von der Arbeitsagentur eine Medienschaffende hat überstellen lassen, hat wenig davon. Die Texte darf er lesen, die Hörfunkbeiträge anhören – aber nichts davon vervielfältigen, verbreiten oder senden. Will er das, muss er einen Vertrag abschließen, durch den er die Nutzungsrechte erwirbt, und für die Rechte und deren Ausübung eine angemessene Vergütung zahlen. Bei unangemessenen Vergütungsabsprachen – und 1 Euro die Stunde ist sicher nicht angemessen! – kann nachträglich eine Vertragsanpassung verlangt werden (§ 32 Abs. UrhG).

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Medienwende nach dem Mauerfall

35 Jahre nach dem Mauerfall bietet die Medienlandschaft im Osten Deutschlands ein zwiespältiges Bild. Nach wie vor verlieren die von westdeutschen Großverlagen kontrollierten ehemaligen DDR-Traditionstitel überdurchschnittlich an Auflage und Anzeigenvolumen. Der aufgelöste staatliche DDR-Rundfunk ist nach anfänglichem Hickhack erfolgreich in ARD und ZDF integriert. Gescheitert ist indes früh der Traum der Ex-Bürgerrechtler von einem „Dritten“ Medienweg.
mehr »

Kodex für mehr Respekt beim Film

Auf Initiative der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, des Bundesverbands Schauspiel (BFFS) und Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen und Audiovisuelle Medien hat eine Gruppe aus Branchenvertreter*innen von Verbänden, TV-Sendern, Streamingdiensten, Förderern und unter Beteiligung der BKM, der Themis Vertrauensstelle e. V. und der BG ETEM nach über einem Jahr gemeinsamer Beratung heute den Respect Code Film (RCF) beschlossen.
mehr »

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »

News-Junkie versus Nachrichtenvermeider

Eine Sonderausstellung im Museum für Kommunikation Berlin gibt Einblicke in die Geschichte der Nachrichten und unser Verhältnis dazu. Nie war es leichter, sich über das Weltgeschehen zu informieren als heute. Nie gab es mehr Medien und Formate, über die wir jederzeit und überall Nachrichten abrufen können. Doch wie können wir uns in diesem Dschungel zurechtfinden? Wie können wir gute Nachrichten produzieren?
mehr »