Seit zwei Jahren gibt es einen von ver.di mitorganisierten Austausch deutscher und griechischer Kolleginnen und Kollegen aus Gewerkschaften und sozialen Initiativen. Im April waren auch Journalistinnen und Journalisten aus Athen nach Deutschland gekommen.
Machi Nikolara, Nikos Tsimpidas und Afrodite Tziantzi arbeiteten in der geschlossenen Fernseh- und Rundfunkanstalt ERT – die Anfang Mai in NERIT als staatlicher Rundfunk einen Nachfolger fand – und in der „Zeitung der Redakteure“. Diese wurde als Antwort auf die Schließung der linksliberalen Zeitung Eleftherotypia von Journalisten als genossenschaftliches Projekt gegründet. Beide sind als Produkte der Krise in Griechenland bekannt geworden, die die Medienbranche mit dem Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen hart getroffen hat. (M berichtete u.a. in 1/2012, 5/2012, 5,2013, 8/2013.) In Berlin als einer Station ihres Deutschlandbesuchs berichteten die griechischen Kolleginnen und Kollegen über ihre Erfahrungen mit selbstbestimmtem Journalismus.
„Selbstverwaltung ist schwer, aber gut“, sagte Afrodite Tzianztzi von der Zeitung der Redakteure, die als genossenschaftliches Projekt inzwischen eine Auflage von 10.000 erreicht und im Internet zu lesen ist. Das ist im kleinen griechischen Markt ein großer Erfolg. Denn bei 1,5 Mio. Erwerbslosen von insgesamt 10 Mio. Einwohnern sei es nicht leicht, aus der Bevölkerung Unterstützung zu bekommen. Wer nur 500 Euro im Monat hat, kann sich den Kauf einer Zeitung für 1,30 Euro nur selten leisten. Mit linksliberaler Orientierung, parteipolitischer Unabhängigkeit, sozialen Themen soll das Vertrauen der Leser gewonnen werden. „Wir tragen zur Themenfindung und Positionierung unseres Blattes im Redaktionsteam viele Meinungsverschiedenheiten aus“, berichtete Afrodite. „So habe ich noch nie gearbeitet.“ Aber das Projekt entwickle sich als „Insel im kapitalistischen Markt“.
„Es ist nicht nur der Kampf um unsere Arbeitsplätze, sondern um Demokratie“, bestätigte Nikos Tsimpidas, der nach ERT-Schließung mit Verbündeten half, einen Sendebetrieb aufrecht zu erhalten. Nach 11 Monaten gab es noch 15 regionale Radiosender, einen Fernsehsender, eine Website. „Wir wollen die Stimme der Menschen sein – seriös, vertrauenswürdig.“ Aufgegriffen wurden Themen, die sonst kaum eine Rolle spielten: die Lebensrealität Obdachloser, entlassene Putzfrauen, Lehrerinnen, Ärzte, die Situation Arbeitsloser ohne Geld und Absicherung, Spar- und Kahlschlagpolitik. „Es ist befreiend, selbstbestimmt zu arbeiten, gemeinsam zu entscheiden“, fanden sowohl Nikos als auch seine Kollegin Machi Nikolara. „Wir waren von unserer Entschlossenheit und unserem Kampfeswillen selbst überrascht.“ So zu arbeiten und die Kosten zu stemmen sei schwierig. Dazu ist die persönliche finanzielle Situation mit 500 Euro Arbeitslosengeld für Redakteure, 400 Euro für Angestellte für ein Jahr prekär – trotz Unterstützung aus Solidaritätskassen. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sich entschlossen, für den neuen Rundfunk zu arbeiten. „Die Wiedereröffnung eines öffentlichen Senders stand als unser Hauptziel“, sagte Machi. „Aber der soll nicht so sein wie der vorherige.“