Viele Traditionsvereine haben sich lange Zeit schwer damit getan, ihre braune Vergangenheit aufzuarbeiten; einige haben noch heute Nachholbedarf, wie Rainer Fromm und Udo Frank in der Dokumentation „ZDF-History. Das dunkle Erbe“ zeigen. Der Film sorgt für einige Denkmalstürze von Funktionären, aber auch von Spielern, die in ihren Clubs bis heute verehrt werden. Leider zeigt das ZDF die Doku – im Gegensatz zur sonstigen Fußball-Berichterstattung – nicht zur besten Sendezeit.
Voller Stolz verkündete der Präsident nach dem Titelgewinn, der Sieg habe gezeigt, „was ein gesunder Deutscher zu leisten vermag, der treu zu seinem Land steht“. Ort der Ansprache war der Münchener Löwenbräukeller, ein beliebter Treffpunkt für Adolf Hitlers Gefolgsleute, die hier regelmäßig des gescheiterten Putschversuchs im Jahr 1923 gedachten. Als Peter-Joseph Bauwens, stets nur „Peco“ genannt, seine Rede hielt, war die Herrschaft der Nationalsozialisten allerdings bereits seit neun Jahren beendet. Die vom DFB-Präsident gewürdigten „gesunden Deutschen“ waren jene Spieler, die kurz zuvor für das „Wunder von Bern“ gesorgt hatten.
Bauwens wurde jahrzehntelang als Baumeister des Deutschen Fußball-Bundes verehrt. Er ist der erste, den Rainer Fromm und Udo Frank vom Sockel stürzen: Sein Kölner Bauunternehmen hatte Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge eingesetzt. Dem Ansehen des späteren DFB-Ehrenpräsidenten hat das nicht geschadet. Bei verschiedenen Traditionsclubs ist das Autorenduo ebenfalls fündig geworden. Der frühere HSV-Star Otto „Tull“ Harder war Mitglied der Waffen-SS und KZ-Aufseher, er wurde 1947 als Kriegsverbrecher zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner vorzeitigen Entlassung 1951 war er beim HSV ein gern gesehener Gast; kein Geringerer als Bauwens lobte ihn als „Vorbild für die Jugend“.
Die Vereine pflegen einen unterschiedlichen Umgang mit ihrer braunen Vergangenheit. Der FC Bayern zum Beispiel verweist gern auf seinen Ruf als „Judenclub“; der von den Ultras verehrte erste Nachkriegspräsident Kurt Landauer, ein Jude, war im KZ Dachau. Tatsächlich hat der Verein seine jüdischen Mitglieder ab 1935 genauso ausgeschlossen wie alle anderen deutschen Clubs. Präsident Wilhelm Neudecker, in dessen Ära 1962 bis 1979 die Bayern ihre ersten großen Erfolge feierten, war SS-Mitglied, sein Geschäftsführer Walter Fembeck war bei der Waffen-SS. Der spätere Eintracht-Frankfurt-Präsident Rudolf Gramlich, der maßgeblich an der Gründung der Bundesliga beteiligt war, gehörte gar zu der für ihre Gräueltaten berüchtigten Totenkopfeinheit der Waffen-SS. 2002 hat ihm der Verein posthum die Ehrenpräsidentschaft aberkannt.
In Gelsenkirchen spricht man bis heute voller Ehrfurcht vom „Schalker Kreisel“. In den Dreißigerjahren pflegte das Team rund um Legenden wie Fritz Szepan und Ernst Kuzorra seine Gegner mit perfektem Kurzpassspiel zu zerlegen; zwischen 1934 und 1942 wurden die Schalker sechsmal Deutscher Meister. Dass Szepan damals zu einem Spottpreis ein jüdisches Kaufhaus erworben hat – die Besitzer wurden deportiert und ermordet –, war nach dem Krieg, als er erst Trainer und dann Präsident des Clubs wurde, allenfalls ein Randthema. Seine Wiedergutmachungszahlung in Höhe von tausend Mark muss der Familie wie eine Verhöhnung vorgekommen sein.
Fromm und Frank haben mit Hilfe von Historikerinnen und Historikern sowie Sportjournalisten und Sportbuchautoren wie Hartmut Scherzer und Dietrich Schulze-Marmeling noch weitere Fälle dieser Art aufgetan. Die meisten waren Überzeugungstäter, die nie ein Zeichen der Reue gezeigt haben. Umso wichtiger wäre es, dass die Vereine wie auch der DFB ihr dunkles Erbe gründlich aufarbeiten.
„ZDF History: Das dunkle Erbe“. 28. November, ZDF, 0.35 Uhr; Video verfügbar ab 27.11.2021, 23:45 in der Mediathek.