OpenNews für technologische Innovationen im Journalismus
Journalismus und Technologie können sich beflügeln. Das wissen wir spätestens seit den Enthüllungen auf der Plattform Wikileaks. Das Potenzial wird aber in vielen Redaktionen nicht annähernd ausgeschöpft. Das OpenNews-Programm der Internet-Stiftung Mozilla will da ansetzen. Für zehn Monate werden Hacker weltweit in etablierte Redaktionen geschickt. 2013 waren mit Spiegel online und Zeit online auch zwei deutsche Medien beteiligt.
Die Mozilla Foundation betreibt unter anderem den unabhängigen Webbrowser Firefox und das mobile Betriebssystem Firefox OS. Daneben engagiert sie sich allgemein für ein offeneres und vielfältigeres Internet. Laut Dan Sinker, Projektleiter des Programms bei Mozilla, passt OpenNews klar zum Stiftungsziel: „Mozilla setzt sich für Offenheit, Innovation und Partizipation im Internet ein, und OpenNews wurde gegründet, um diese Ideale auch in Redaktionen umzusetzen.“ Die Stipendiaten erhalten in zehn Monaten insgesamt 60.000 US-Dollar, dazu gibt es verschiedene Zuschüsse, etwa für Miete, Reisekosten und Krankenversicherung.
Das Geld, das Mozilla für OpenNews ausgibt, wird durch die Stiftung Knight Foundation gefördert. Die zwei Erben eines US-amerikanischen Zeitungsverlags hatten in den 70er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts einen Großteil ihrer Firmenanteile der Stiftung vermacht, die unter anderem technologische Innovationen im Journalismus fördert.
Hacker bei Spon und Zeit online.
Friedrich Lindenberg war einer der beiden deutschen Stipendiaten. Von Anfang Februar bis Anfang Dezember war er bei Spiegel online in Hamburg und hat die Redaktion beim Thema Datenjournalismus unterstützt. Er hat an verschiedenen Visualisierungen von Daten gearbeitet, beispielsweise an einer interaktiven Karte zu deutschen Atomtransporten. Lindenberg engagiert sich in verschiedenen NGOs und Initiativen, die sich für die bessere Verfügbarkeit öffentlicher Daten im Internet einsetzen. Das hat er während der Stipendienzeit nicht ruhen lassen: „Nebenbei habe ich auch Projekte vorangetrieben, von denen ich glaube, dass sie der Verfügbarkeit von Daten auch jenseits des Spiegels gut tun.“
Das Stipendium in Höhe von 60.000 US-Dollar war für ihn vergleichsweise viel. „Für mich als NGOler war das ein ziemlicher Zuwachs. Für professionelle Entwickler war das hingegen ein Abstieg. Bei der New York Times bekommt beispielsweise ein Interaktivgrafiker gut das Doppelte. Das wird sicherlich einer der Gründe sein, warum sich wenige Newsrooms Coder leisten.“
Die Neuseeländerin Annabel Church war im gleichen Zeitraum in der Redaktion von Zeit online in Berlin. Dort hat sie unter anderem Facebook-Daten aufgearbeitet, die die Integration von Migranten in Freundesnetzwerke darstellen. Zeit online beherbergte schon zum zweiten Mal einen OpenNews-Stipendiaten. Sascha Venohr aus der Entwicklungsredaktion von Zeit online erinnert sich positiv zurück: „OpenNewsFellows bringen neue Herangehensweisen in die Redaktion und hinterfragen zu Recht tradierte Prozesse.“
Rüdiger Ditz, Chefredakteur von Spiegel online, spricht in dem Zusammenhang von einem „Clash of Cultures“, den der unabhängige Programmierer in die etablierten Strukturen von Spiegel online gebracht hat. „Die Integration eines solchen Freigeistes wie Friedrich Lindenberg war eine Herausforderung. Er hat uns unsere Grenzen aufgezeigt und dabei geholfen, sie auch manchmal zu überwinden.“ Eine der Grenzen war der Umgang mit journalistischen Projekten. „Es ging darum, ob wir dafür notwendige Daten und Know-how während der Entwicklung im geschützten Redaktionssystem von Spiegel online halten oder schon für alle zugänglich und öffentlich ins Internet stellen.“ Friedrich Lindenberg plädierte für eine öffentliche Programmierschnittstelle, über die auch externe Entwickler auf Spiegel-online-Daten zugreifen können.
Voneinander lernen.
Im Rückblick auf die Stipendienzeit hat Lindenberg einige kritische Anmerkungen: „Für mich bleibt ein wenig die Frage offen, wie man Datenjournalismus und den Aufwand, den der oft erfordert, mit den Anforderungen einer Online-Newssite verbinden kann. Die Journalisten dort haben oft die Erwartung, eine Story eben in sechs oder zehn Stunden abzuarbeiten – das ist aber für ein schönes interaktives Feature einfach viel zu wenig.“
Damit sich „Nerds“ und „Narrators“, wie Lindenberg es nennt, weiter aufeinander zu bewegen, engagiert er sich schon länger in der weltweiten „Hacks/Hackers“-Bewegung. In 19 europäischen Städten treffen sich in dem Rahmen regelmäßig Journalisten und Programmierer, um sich auszutauschen. Auch in Berlin gibt es eine solche Gruppe. Er glaubt insgesamt, dass beide Seiten mehr voneinander lernen sollten: „Dazu gehört auch die Bereitschaft bei Journalisten, sich mal in die eine oder andere Methode und einige Tools einzuarbeiten – einige tun es mit Enthusiasmus, bei anderen stößt diese Idee aber auf eine Ablehnung, die ich für unprofessionell halte.“