„Angriffe auf Medienschaffende durch Neonazis“ hieß die Kleine Anfrage der Linksfraktion, auf die es nun Antworten aus dem Bundesinnenministerium (BMI) gibt: Demnach ist die Zahl Straf- und Gewalttaten gegen Pressevertreter*innen und Medien von 93 Fällen im Jahr 2018 auf 104 Fälle 2019 gestiegen. Leicht erhöht hat sich außerdem die Zahl der zum Teil schweren Straftaten, die in Zusammenhang mit rechten Versammlungen verübt wurden.
Die Zahlen zeigten, dass es „bei weitem nicht um Einzelfälle, sondern um einen eigenen Phänomenbereich“ gehe, erklärte die medienpolitische Sprecherin der Linken, Doris Achelwilm. „Journalist*innen und Redaktionen müssen systematisch geschützt, Gewalt- und Straftaten gegen Medienvertreter*innen konsequenter geahndet werden.“ Dazu forderte Achelwilm etwa die Einrichtung eines Runden Tisches des BMI mit Gewerkschaften und Berufsverbänden.
Auf die Fragen, wie viele politisch-rechts motivierte Straf- und Gewalttaten gegen Pressevertreter*innen seit 2018 erfasst und wie viele Straf- und Gewalttaten gegen Medienschaffende seit 2018 im Zusammenhang mit rechten Versammlungen registriert worden seien, antwortete das BMI mit einer nach Bundesland und Art des Delikts aufgeschlüsselten Liste für 2018 und einer nur nach Art des Delikts unterteilten Tabelle für 2019. Danach wurden 2018 93 Straf- und Gewalttaten gegen Medien gemeldet. Bei 13 davon lägen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass diese im Zusammenhang mit rechten Versammlungen begangen wurden. Darunter befinden sich auch Tatbestände wie Körperverletzung und sogar gefährliche Körperverletzung. Im Jahr 2019 erhöhte sich die Zahl der Straf- und Gewalttaten auf 104. Bei 15 davon lägen Erkenntnisse vor, dass sie bei rechten Versammlungen begangen wurden.
„Dass es sich bei mehreren dieser Straftaten um Körperverletzung oder sogar gefährliche Körperverletzung in Zusammenhang mit rechten Versammlungen handelt, zeigt, dass Journalistinnen und Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit bedroht sind. Das dürfen wir nicht hinnehmen“, sagte zu diesen Zahlen die Bundesvorsitzende der dju in ver.di, Tina Groll. Hochgradig beunruhigend finde sie auch den Anteil von Straftaten im Zusammenhang mit rechtsradikalen Veranstaltungen. „Rechte Angriffe und rechtsextremer Terror sind in Deutschland eine ernstzunehmende und stetig größer werdende Gefahr – nicht nur für Medienschaffende. Das haben die Morde in Hanau uns auch heute wieder schmerzlich bewusstgemacht.“
Vom BMI wollte die Linke außerdem wissen, wie viele Ermittlungs- und Strafverfahren bei diesen erfassten Fällen dann auch eingeleitet worden seien. Die Antwort: Dazu könne man keine Auskunft geben, da solche Statistiken schlicht nicht geführt würden. Noch gebe es Pläne, künftig eine Statistik einzuführen, die Rückschlüsse über die Aufklärungsquote bei solchen Straftaten geben könnte. Dazu Achelwilm: „Ob Straf- und Gewalttaten gegen Journlist*innen und Medien zu Strafverfahren führen oder doch überwiegend im Sande verlaufen, beschäftigt die Bundesregierung wenig. Dass solche Delikte nicht mit Nachdruck aufgeklärt bzw. präventiv verstärkt in den Fokus genommen würden, sei unerklärlich, kritisierte sie. Denn auch zur Frage, ob Strafverfolgungsbehörden in letzter Zeit für Delikte gegen Medienschaffende verstärkt sensibilisiert worden seien, hat das BMI lediglich auf die ohnehin grundsätzlich angebotenen Fortbildungen zu Pressefreiheit und Medienrecht der Deutschen Richterakademie verwiesen.
Die medienpolitische Sprecherin der Linken forderte deshalb unter anderem „verpflichtende Schulungen von Polizist*innen, verstärkte Sensibilisierung bei den Strafverfolgungsbehörden, bessere Ermittlungsquoten, Schutz der Privatadressen von Medienschaffenden“. Und die dju-Vorsitzende Tina Groll machte deutlich:
„Die Bundesregierung verkennt offenbar die dramatischen Konsequenzen für die Pressefreiheit und die Demokratie, die dieser Anstieg von Gewalt gegen Medienschaffende offenbart. Es wird endlich Zeit, dass die Bundesinnenministerkonferenz aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und geeignete Maßnahmen auf den Weg bringt, um Medienschaffende besser zu schützen. Die dju in ver.di als Interessenvertretung der Journalistinnen und Journalisten unterstützt dabei gerne mit ihrer Expertise.“