Keine Opferfotos

Amoklauf in Oslo: Presserat betont Persönlichkeitsrechte

Der Deutsche Presserat beschäftigte sich in seiner Sitzung im September in Berlin mit der Berichterstattung über den Bombenanschlag in Oslo sowie den Amoklauf auf Utoya. Dazu lagen insgesamt 16 Beschwerden vor. Mehrere Beschwerden waren bereits im Vorverfahren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.

Der Presserat kritisierte zwei Veröffentlichungen, in denen eine Vielzahl von Opfern mit Bild und vollem Namen dargestellt wurde und sprach jeweils einen Hinweis aus. Das Gremium diskutierte bei der ethischen Bewertung intensiv die Frage, ob es nach einer derart außergewöhnlichen Tat gerechtfertigt ist, die Opfer zu zeigen. Viele Medien hatten die Fotos veröffentlicht, weil die Redaktionen den Opfern „ein Gesicht geben“ wollten, um den Lesern das Ausmaß dieses schrecklichen Verbrechens begreifbarer zu machen. Diese Intention stoße sich allerdings mit dem Persönlichkeitsrecht der Opfer. Nur weil Menschen zufällig Opfer eines schrecklichen Verbrechens werden, rechtfertige dies nicht automatisch eine identifizierende Berichterstattung über ihre Person. Bei der Abwägung gelangte das Gremium zu dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsrecht der Opfer im konkreten Fall ein mögliches Informationsinteresse der Leser überlagere. Die durch die Fotos entstehende Emotionalisierung sei lediglich eine erweiterte Information, die vom ethischen Standpunkt her zum sachlichen Verständnis des Amoklaufs so nicht erforderlich gewesen sei.
Insgesamt sprach der Presserat vier Rügen aus. Eine nicht-öffentliche Rüge erhielten Bild und Bild-Online für die Veröffentlichung eines Fotos, auf dem neben dem Attentäter selbst auch dessen Mutter so wie eine Freundin abgebildet sind. Der Pressekodex verlangt die Persönlichkeitsrechte von nicht Beteiligten zu schützen, ihre Namensnennung und Abbildung sind grundsätzlich unzulässig.
Die Zeitschrift LEA erhielt eine öffentliche Rüge, weil sie einen frei erfundenen Text als journalistisch-redaktionellen Beitrag zu einem medizinischen Thema veröffentlicht hatte. Die Zeitschrift teilte dem Presserat aufgrund einer Leserbeschwerde zwar mit, dass man sich von der freien Autorin getrennt habe. Jedoch wurden die Leser nicht über die grobe Irreführung unterrichtet.
Eine nicht-öffentliche Rüge sprach der Ausschuss gegen Bild aus. Die Boulevardzeitung hatte in der Regionalausgabe Berlin/Brandenburg das Foto eines jungen Mädchens veröffentlicht, das vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Das Foto erschien zu einem Beitrag über den damaligen Freund des Mädchens, der Anfang dieses Jahres ebenfalls tödlich verunglückte. Der Ausschuss erkannte in der Veröffentlichung des Bildes, das ohne Einverständnis der Hinterbliebenen erfolgte, einen schweren Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte.
Insgesamt wurden 84 Beschwerden behandelt. Neben den genannten Rügen gab es 16 Missbilligungen und 18 Hinweise.

 PM/wen

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