Korruption im Journalismus: Transparenz bleibt auf der Strecke

Journalisten sind schnell dabei, wenn es darum geht, Korruption in Politik und Verwaltung anzuklagen und zu entlarven. Weniger transparent verhalten sie sich, wenn es um die eigene Branche geht. Das zumindest ergibt sich aus einer Studie zum Thema „Journalismus und Korruption“, die Netzwerk Recherche und Transparency International in Zusammenarbeit mit dem Institut für Journalistik (IfJ) der TU Dortmund und der Otto-Brenner-Stiftung Ende Juni in Berlin vorstellten.

Die Unabhängigkeit von Verlagen, Redaktionen und einzelnen Journalisten sei unter anderem dann gefährdet, „wenn Redakteure und redaktionelle Mitarbeiter Einladungen oder Geschenke annehmen, deren Wert das im gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß übersteigt“, heißt es in der Pressekodex – Richtlinie 15.1 des Deutschen Presserates. Soweit die Theorie. In der Praxis fänden zum Beispiel Motorjournalisten nichts Verwerfliches daran, einen Testwagen schon mal so lange zu fahren, bis das Nachfolgemodell auf den Markt komme, berichtete Günter Bartsch, Geschäftsführer von Netzwerk Recherche. Gleiches gilt für die Teilnahme an aufwändigen Pressereisen. So flogen vier Journalisten von Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, Neue Ruhr-Zeitung und Rheinische Post auf Einladung des Thyssen-Konzerns im Frühjahr 2011 First Class nach Südafrika, übernachteten in der luxuriösen Singita Lebombo Lodge und ließen sich per Hubschrauber zu ein paar Terminen bringen. Dass die Reise von Thyssen-Krupp finanziert war, erfuhren die Leser dieser Blätter allerdings nicht.
Das Problembewusstsein der Medienhäuser in Sachen Korruptionsbekämpfung ist offenbar nur schwach entwickelt. Auf eine Umfrage des IfJ der TU Dortmund reagierten gerade mal sechs von 30 angeschriebenen Chefredakteuren. Von diesen wiederum antworteten nur Vertreter der Ostsee-Zeitung und des Axel Springer Verlags konkret auf die gestellten Fragen. Ausgerechnet der viel gescholtene Springer-Konzern verfügt über ein konzernweites Compliance-Management inklusive eines Code of Conduct, der klare Leitlinien zur journalistischen Unabhängigkeit enthält. Darin heißt es: „Die Journalisten bei Axel Springer tragen dafür Sorge, dass alle Kosten (Reisekosten, Bewirtungen etc.), die im Zusammenhang mit Recherchen entstehen, grundsätzlich durch die Redaktion übernommen werden. Ausnahmen sind von der Chefredaktion zu genehmigen und in der Berichterstattung entsprechend kenntlich zu machen.“
Auch andere Blätter gehen neuerdings dazu über, solche Praktiken für die Leser transparenter zu machen. Gelegentlich finden sich diese Hinweise aber nur im Kleingedruckten. Angesichts schrumpfender Redaktionsetats ist die Versuchung groß, durch stillschweigende Inanspruchnahme „geldwerter Vorteile“ den eigenen Handlungsradius zu erweitern. Für das publizistische Ansehen hat diese Praxis indes fatale Folgen. Im unlängst veröffentlichten Korruptionsbarometer von Transparency International landeten die Medien auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht korrupt) bis 5 (höchst korrupt) mit 3,6 auf Rang 3, noch vor der Öffentlichen Verwaltung und dem Parlament. Auf den ersten beiden Plätzen liegen die politischen Parteien und die Privatwirtschaft. Das sinkende Ansehen der Medien sei ein „alarmierendes Zeichen“, urteilte Jürgen Marten, stellvertretender Vorsitzender von Transparency. Er forderte die Medien auf, sich einen verbindlichen Verhaltenskodex zu geben.

Link zum Thema

http://www.netzwerkrecherche.de/Publikationen/Studien/Gefallen-an-Gefaelligkeiten-2013/

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Presserat spricht  17 Rügen aus

Der Deutsche Presserat hat wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht und den Opferschutz auf seiner Märzsitzung 17 Rügen ausgesprochen. Acht Rügen betrafen allein „Bild“ und bild.de. Insgesamt wurden 160 Beschwerden behandelt, 65 Beschwerden erachtete das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse als unbegründet. Es sprach zudem 32 Missbilligungen und 30 Hinweise aus.
mehr »

Dreyeckland geht gegen Durchsuchung vor

Gemeinsam mit Radio Dreyeckland (RDL) hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) heute eine Beschwerdebegründung beim Landgericht Karlsruhe gegen die im Januar erfolgten Durchsuchungen und die Beschlagnahmung von Laptops eingereicht. RDL hatte in einem Artikel die Archivseite der verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia verlinkt. M berichtete darüber. Den Link wertete die Staatsschutzabteilung der Karlsruher Staatsanwaltschaft als strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.
mehr »

Mehr Straftaten gegen Medienschaffende

Journalist*innen werden bedroht, bespuckt und aktiv an ihrer Arbeit gehindert. In Deutschland ist im vergangenen Jahr der höchste Wert an Straftaten gegen Medienschaffende seit Aufzeichnungsbeginn 2016 erfasst worden. Der kriminalpolizeiliche Meldedienst notierte 320 Straftaten gegen Medienschaffende, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag hervorgeht. Das Dokument liegt M vor.
mehr »

KI im Journalismus richtig nutzen

Einerseits kann Künstliche Intelligenz (KI) im Journalismus die Arbeit erleichtern, wenn Beiträge automatisch erstellt werden und KI-Systeme große Datenmengen auswerten. Andererseits besteht die Gefahr, von großen Tech-Unternehmen abhängig zu werden und Diskriminierungen Vorschub zu leisten. Im neuen „Whitepaper aus der Plattform lernende Systeme“ wird ausgelotet, wie KI zu einem zeitgemäßen Journalismus beitragen kann, der Medienschaffenden mehr Zeit für kreative und investigative Arbeit verschafft.
mehr »