Mehr als graue Theorie

Erfolgreiche Medienmacher mussten sich Fragen des Nachwuchses stellen

An Universitäten, so eine weit verbreitete Meinung, lassen sich keine Journalisten ausbilden. Vom Elfenbeinturm aus könne man keine Praxis vermitteln, schon gar nicht angesichts der chronischen Unterfinanzierung der Hochschulen. Anhänger dieser Theorie straft jetzt Juniorprofessor Dr. Bernhard Pörksen Lügen.

Gemeinsam mit dem Brand Eins-Redakteur Jens Bergmann gab Pörksen vom Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Hamburger Universität 24 Studenten die Gelegenheit, ihr eigenes Buch zu schreiben. Fest stand zu Beginn des Semesters lediglich die Idee: Der Journalismus bleibt für viele ein Traumberuf, aber der Weg dorthin ist steinig – was fehlt, ist eine Orientierungshilfe. Wie schafft man den Einstieg in eine sich ständig verändernde Medienwelt? Wie bleibt man drin? Wie hält man sich flexibel? Ein Interviewband sollte entstehen, in dem sich die erfolgreichsten Medienmacher der Republik Fragen des Nachwuchses stellen.

Hitzige Diskussionen entbrannten im Seminar darüber, welche Profis interviewt werden sollten. Am Ende stand eine prominente Namensliste von Stefan Aust und Reinhold Beckmann bis zu Michael Spreng und Anne Will. Mit einer einzigen Ausnahme waren alle Angefragten bereit, bei dem Projekt mitzumachen. Spätestens jetzt war auch der Verleger Herbert von Halem überzeugt und nahm das „Trendbuch Journalismus“ in seine neue Reihe Edition Medienpraxis auf. Für die Studenten begann das arbeitsintensivste Seminar ihrer Universitätslaufbahn: In Zweiergruppen bereiteten sie sich akribisch auf ihre Gesprächspartner vor, sammelten Informationen, legten Archive an, diskutierten mögliche Fragen und orakelten über eventuelle Antworten. Schließlich wäre nichts peinlicher, als vor den Profis amateurhaft zu wirken. Trotz penibelster Recherchen trat wohl keiner der Studierenden ohne erhöhten Puls seinem Gesprächspartner gegenüber. Es ist nun einmal alles andere als alltäglich, bei Kai Diekmann, dem Chefredakteur der Bild, auf dem heimischen Sofa zu sitzen oder mit dem Chef der Werbeagentur Scholz & Friends, Sebastian Turner, im ICE nach Berlin zu fahren.

Die Studenten merkten schnell, dass ein Interview nicht mit dem geführten Gespräch beendet ist. Die Verschriftlichung erwies sich sogar vielfach als noch schwieriger: Sollte das Interview ins Buch aufgenommen werden, musste es die Hürde des unbarmherzigen Textchefs Jens Bergmann nehmen. Es spricht also für die Qualität der Interviews, dass alle 28 geführten Gespräche im „Trendbuch Journalismus – Erfolgreiche Medienmacher über Ausbildung, Berufseinstieg und die Zukunft der Branche“ veröffentlicht werden, das am 15. Dezember im Herbert von Halem Verlag erschien (300 Seiten; 16,- Euro; ISBN: 3-931606-87-2).

So viel, darüber sind sich die Studenten mit ihrem Professor einig, haben sie in so kurzer Zeit noch nie gelernt. Im nächsten Semester geht es weiter – mit der Vermarktung des Buches.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

dju warnt: Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu


mehr »