Nachholbedarf für Public Affairs?

Widersprüche eines PR-Profis

In seinem Beitrag „Auftrags-Journalisten“ und journalistisches Selbstverständnis (M 7 – 8 / 2003) beschreibt Eberhard B. Freise ein seiner Ansicht nach zentrales Problem für „seriöse“ Public-Relations-Arbeit: die Kommerzialisierung der Massenmedien. Von den für die Ausbildung von PR-Beratern zuständigen Einrichtungen fordert er, sich verstärkt damit auseinanderzusetzen. In dieser Aussage steckt ein immanenter Widerspruch. Immerhin ist die Kommerzialisierung der Medien die Grundlage jeglicher PR-Arbeit.

Die Entwicklung der kommerziellen Massenpresse, heißt es in „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ von Jürgen Habermas (1962), basiert zum einen auf der Erhöhung der Produktion und des Absatzes von Presseerzeugnissen, zum anderen auf der Ausweitung des Anzeigengeschäfts. Die Konkurrenz auf dem Zeitungs- und Anzeigenmarkt befördert Prozesse der Kapitalkonzentration in deren Folge Pressemonopole entstehen. Vormals unabhängige Redaktionen verlieren ihre Selbständigkeit, während gleichzeitig die Anzeigenkunden immer mehr Einfluß gewinnen. Die „privilegierten Privatinteressen“ des Medienunternehmers finden schließlich ebenso wie die der Werbekunden Eingang in die Berichterstattung. Die bürgerliche Öffentlichkeit ist nicht länger „Publikum räsonierender Privatleute“, sondern „Hof“, vor dem Repräsentation entfaltet wird. PR-Berater setzen dafür Inszenierungen und Imageproduktionen ein.

Selbstverständlich hat vor diesem Hintergrund, wie Freise richtig bemerkt, „derjenige PR-Profi … mehr Medien-Chancen, der auch inseriert oder Sendungen sponsert“. Das allerdings ist nicht nur ein alter Hut, sondern auch seit vielen Jahren Common sense in der PR-Szene: Carl Hundhausen, der als Gründervater der deutschen PR-Schule gilt, wurde in den fünziger Jahren von Krupp damit beauftragt, das in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild vom Kriegsverbrecher-Konzern in ein ausschließlich positives Image zu transformieren. Die von ihm entwickelte Strategie, die Vergabe von Anzeigenaufträgen an eine Krupp-freundliche Berichterstattung zu knüpfen, war erfolgreich.

Diese und andere Erkenntnisse der PR-Profis hat sich die Politik längst zu eigen gemacht, weshalb Politiker insbesondere in Wahlkampfzeiten vermehrt von Spin-Doctoring, „Show und Spektakel“ Gebrauch machen. Freise kritisiert diese Entwicklung vehement: Gegen die von Politikern angewandten „Instrumente von Demagogie, Diktatur und Totalitarismus“ haben seiner Ansicht nach „seriöse Profis der politischen Öffentlichkeitsarbeit, die auf Argumente und Überzeugung setzen“, keine Chance. Als Gegenmittel empfiehlt er den Ausbau des PR-Bereichs „Public Affairs“, worunter er die „Einflußnahme auf öffentliche Angelegenheiten, auf die Tätigkeit der öffentlichen Hand“ versteht.

Vorbildhaft erscheint Freise in diesem Zusammenhang der Frankfurter PR-Unternehmer Moritz Hunzinger, von dessen „politischer Kontaktarbeit“ sich jedoch selbst „namhafte PR-Chefs“ lieber „schamhaft distanziert“ hätten, anstatt sie „mannhaft zu verteidigen“. In der Tat hat Hunzinger Erfolge vorzuweisen: Nach der Bundestagswahl 1998 gelang es ihm, seine Auftraggeber aus der Rüstungsindustrie mit sozialdemokratischen und grünen Spitzenpolitikern zusammenzuführen, wofür letztere Spenden, Honorare, einen Kredit oder eine persönliche Imageberatung erhielten. Großen „Nachholbedarf für Public-Affairs-Arbeit und politische Lobby“ sieht Freise insbesondere bei denjenigen gesellschaftlichen Gruppen, die hierzulande „in den politischen Entscheidungsgremien überhaupt nicht vertreten sind“. Nur – wen meint er damit? Alte, Kranke, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger dürften – ganz im Unterschied zur Rüstungsindustrie – kaum das nötige Kleingeld haben, um sich „Auftrags-Journalisten“ zu halten. Der PR-Nachwuchs wird also wohl auch in Zukunft traditionelle Wege beschreiten müssen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »