Gefährdete Journalist*innen, vor allem aus Afghanistan, der Ukraine, Russland und Belarus, finden Unterstützung bei der Hannah-Arendt-Initiative (HAI). Die noch junge Plattform für NGOs wird aus Töpfen des Auswärtigen Amtes und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert. Zu den Partnerorganisationen gehören das European Center for Press and Media Freedom ECPMF, die DW Akademie, der European Fund for Journalism in Exile (JX Fund) und MiCT – Media in Cooperation and Transition.
Während die meisten Programme bedrohte Journalist*innen individuell unterstützen, hilft zum Beispiel der JX Fund gezielt auch Medienhäusern und Redaktionen, die ins Exil gehen müssen. Vor allem werden von der Ende vergangenen Jahres ins Leben gerufenen HAI jedoch Stipendien, Trainings und Beratungen angeboten. Es wird aber auch zerstörte Technik ersetzt und Auslandsaufenthalte ermöglicht. Dabei setzen die Programme unterschiedliche regionale Schwerpunkte, fördern Verfolgte entweder in ihren Heimatländern oder alternativ in sicheren Nachbar- und Drittländern.
Stipendien für die Weiterarbeit in der Ukraine
„Mit „Voices of Ukraine“ ermöglichen wir es Journalist*innen direkt in der Ukraine weiterarbeiten zu können. Die ukrainische Medienbranche ist infolge des Krieges drastisch unter Druck geraten und Journalist*innen können entweder gar nicht mehr arbeiten oder nicht mehr auskömmlich verdienen“, berichtet Lutz Kinkel, Managing Director des an der HAI beteiligten ECPMF. An solche Medienschaffende vergibt das ECPMF 120 Stipendien im Wert von jeweils 550 Euro pro Monat.
Ein Teilprogramm von „Voices of Ukraine“ ist das „Journalists in Residence“-Programm im Kosovo. „Als Ukrainer*in kann man sich auf die Finanzierung eines mindestens halbjährigen Aufenthalts im Kosovo, also in einem geschützten Raum, bewerben“, so Kinkel. Darüber hinaus hat das ECPMF bisher etwa 150 Mal technischen Support geleistet, indem es Kameras, Laptops und andere Technik ersetzt hat, die infolge des Krieges verloren gingen oder zerstört wurden.
Trainings für Journalist*innen, die ihre Länder verlassen mussten
Auch die Deutsche Welle Akademie vermittelt Stipendien und ersetzt Technik, bietet zusätzlich aber auch Trainings, Beratungen und ein Mentoring durch erfahrene Kolleg*innen an. Die Stipendien des Programms „Space for Freedom“ gehen allerdings nur an Kolleg*innen, die ihre Heimatländer – hier Russland und Belarus – verlassen mussten. „Wir organisieren Trainings zu den Themen psychologische und digitale Sicherheit, digitale Medienstrategie, mediale Formate und digitale Instrumente. Afghanischen Kolleg*innen schulen wir in Mobile Reporting und Videoproduktion“, umreißt Maxim Ryabkov das Unterstützungsportfolio der DW Akademie.
Während einer Mentoring-Phase wurden Teilnehmer*innen der Maßnahme zudem von Redakteur*innen der Deutschen Welle bei der Produktion journalistischer Übungsbeiträge betreut und produzierten so 40 Beiträge für die Zielgruppen in ihrem Herkunftsland. Alle Kurse erfolgten online, während sich die Teilnehmenden in Pakistan, im Iran und in Tadschikistan aufhielten.
Nachweise beruflicher Qualifikation notwendig
„Wir schreiben unsere Unterstützungsprogramme sehr gezielt aus und schicken sie aktiv an ganz bestimmte Kanäle, immer unter der Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten“, beschreibt Maxim Ryabkov das Vorgehen bei der Ausschreibung von Hilfsangeboten. Grundsätzliche Voraussetzungen für eine Bewerbung beim Programm der DW Akademie sind Nachweise der beruflichen Qualifikationen, die Bereitschaft weiterhin im Journalismus zu arbeiten – besonders im Herkunftsland – und ein persönlicher Bedarf.
Auf die „Voices of Ukraine“-Stipendien des ECPMF können sich ukrainische Journalist*innen in der Ukraine bewerben. Dazu gibt es dort einen öffentlichen Call, also eine Ausschreibung, an der auch kleine Büros und Organisationen teilnehmen können. „Die Kolleg*innen werden dann einem Fact Check unterzogen und müssen ihre journalistische Arbeit nachweisen“, berichtet Andreas Lamm vom ECPMF.
„Brain Drain“ oder Demokratieförderung?
Welche Auswirkungen haben die Förderprogramme auf die unabhängigen Medien vor Ort und in Deutschland? Von Menschen im sicheren Westeuropa formuliert klingt die Frage zynisch – und trotzdem wird sie gestellt: Verursachen solche Förderprogramme vielleicht sogar eine Abwanderung wichtiger Stimmen aus instabilen Ländern? Begünstigen oder verursachen sie einen Brain Drain des kritischen Journalismus in Belarus, Russland, Afghanistan?
„Dem Geldgeber Auswärtiges Amt ist es wichtig, bedrohte Journalist*innen immer in einem abgestimmten System mit bestimmten Partnern zu unterstützen. Zunächst soll der Support möglichst vor Ort stattfinden, in den Ländern selbst. Dann in den unmittelbaren Nachbarländern, wie etwa bei den afghanischen Kolleg*innen über MiCT in Pakistan. Dann über uns in sicheren Drittländern, etwa dem Kosovo, und zuletzt über den JX Fund im Exil, auch hier in Deutschland“, erläutert Andreas Lamm vom ECPMF die Strategie der Hannah-Arendt-Initiative.
Aber auch für die entsprechenden Communities in Deutschland haben die Programme der HAI eine wichtige Funktion. Maxim Ryabkov erklärt das am Beispiel der geförderten russischen Medien. „Die russischen Exilmedien, zum Beispiel hier in Deutschland, könnten eine wichtige Rolle bei der Versorgung der russischen Community hierzulande spielen. Ich habe dazu keine klaren Zahlen und man muss bei dieser Einschätzung sehr vorsichtig sein, aber es gibt Anhaltspunkte dafür, dass viele russischstämmige Menschen im Ausland bevorzugt die russischen Staatsmedien wahrnehmen.“
Obwohl die Initiative sich erst noch ein- und ausrichten muss und ihr Angebot noch etwas unübersichtlich und kompliziert erscheint, wirkt sie bereits jetzt: Humanitär und publizistisch und gleichzeitig in den Herkunftsländern der verfolgten Kolleg*innen und in ihren Exilländern.
Mehr dazu im M-Podcast zum JX Fund
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