Novellierter Kodex

Deutscher Presserat mit positiver Bilanz im 50. Jubiläumsjahr

Die nunmehr fast 50jährige Tätigkeit des Deutschen Presserats habe gezeigt, dass „gute Presse nur funktioniert, wenn sich der Staat raushält“, resümierte Fried von Bismarck, Sprecher des Selbstkontrollgremiums der gedruckten Medien, zur Jahrespressekonferenz am 18. Oktober in Berlin. Mit Blick auf die Berufsethik der Journalisten habe man bei der Durchsetzung des Pressekodex’ in den vergangenen Jahren „viel erreicht“. Das wiege umso mehr, da es praktisch „keine Sanktionsmöglichkeiten“ bei Verstößen gäbe.

Die Zahl der eingereichten Beschwerden seien „nicht dramatisch, aber kontinuierlich ange­stiegen“, berichtete Geschäftsführer Lutz Tillmanns. So erreichten den Presserat im vergangenen Jahr 746 Eingaben, die Ausschüsse bearbeiteten 290 als Beschwerden und erteilten 25 öffentliche und vier nichtöffentliche Rügen. Damit verhielt sich die Zahl der Rügen gegenüber 2004 leicht rückläufig. Knapp verdoppelt hatte sich dagegen die Zahl der Missbilligungen, die 2005 auf 67 anstieg. Vierzehn Beschwerden betrafen den Redaktionsdatenschutz. Bei deren Bear­beitung wurde eine nichtöffentliche Rüge ausgesprochen, acht Fälle wurden als Verstöße bewertet. Im laufenden Jahr 2006 gingen beim Deutschen Presserat bis Mitte Oktober bereits 748 Eingaben ein, 265 davon wurden in den Beschwerdeausschüssen behandelt. Den inhaltlichen Schwerpunkt bildete, so von Bismarck, weiterhin das Problem der Schleichwerbung. Wegen Verstoßes gegen Ziffer 7 des Pressekodex, der eine klare Trennung von Redaktion und Werbung fordert, wurden 2006 bereits elf Rügen ausgesprochen. Der Sprecher appellierte an die Medien, werbliche Inhalte klar zu kennzeichnen: „Schleichwerbung untergräbt die Glaubwürdigkeit der Presse“.
Der Presserat verabschiedete im laufenden Jahr neue Leitlinien für die Börsenberichterstattung. Das Gremium unterstütze weiterhin Gesetzesinitiativen, Journalisten in Strafgesetzgebung und Strafprozessordnung einen höheren Schutz einzuräumen, bekräftigte Lutz Tillmanns. Redaktionsgeheimnis und Informantenschutz zählten zu den „tragenden Säulen einer freien Presse“. Dass die Arbeit von Journalisten unter dem Vorwurf der Beihilfe zum Geheimnisverrat verfolgt werden könne, sei unakzeptabel. Der Presserat habe zudem Sorge, dass „Journalisten auf Fahndungslisten landen“ könnten, sofern das geplante Gesetz zur Bekämpfung von Stalking in der bisher vorliegenden Fassung beschlossen werde. Die Trägervereine des Presserats und weitere Medienpartner hätten deshalb einen Vorschlag beim Bundestag eingereicht. Er solle sichern, dass „Journalisten in Ausübung ­ihres Berufes nicht unbefugt im Sinne dieses Gesetzes handeln“.
Ella Wassink, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des Selbstkontrollgremiums, kündigte an, dass nach einer Überarbeitung der Beschwerdeordnung zur Jubiläumsfeier am 20. November auch ein „vollständig novellierter Kodex“ an Bundespräsident Köhler übergeben werde. Die neu gefassten Publizistischen Grundsätze sollen zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Wassink informierte, dass der Deutsche Presserat im laufenden Jahr mit Partnern aus Wissenschaft und Gesellschaft drei öffentliche Veranstaltungen zum Thema Schleichwerbung organisiert habe. Die Öffentlichkeitsarbeit werde durch regel­mäßige Publikationen und durch Projekte wie die Herausgabe von Unterrichtsmaterialien zur Presseethik für Schulen gestärkt. Derartige Ak­tivitäten, so Fried von Bismarck, hätten beigetragen, Beachtung und Bewusstsein der Öffentlichkeit gegenüber der Arbeit des Gremiums zu stärken. Die steigende Beschwerdezahl stehe deshalb nicht dafür, dass „die Presse dreister oder schlechter geworden“ sei. Die Printmedien täten vielmehr, was sie sollten, und das „überwiegend richtig“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Traditionelle Medien zu wenig divers

Vielfalt in traditionellen Medien ist gefährdet - durch Chefetagen, die überdurchschnittlich mit weißen Männern besetzt sind. Dazu kommt eine zunehmend stärker werdende Berufsflucht. Daneben entsteht ein „peripherer Journalismus“ – entweder mit einem hohem Anspruch an Diversität oder andererseits sehr eingeschränkter Vielfalt. Das Meinungsspektrum verschiebt sich von „migrantischen zu ultrakonservativen Stimmen“. Schlaglichter auf die kritisch-konstruktive Tagung „Diversität und Geschlecht im Journalismus“.
mehr »