Presserat rügte: PR nicht klar erkennbar

Foto: fotolia/Björn Wylezich

Der Deutsche Presserat hat bei seinen Sitzungen vom 8. bis 10. Juni 2020 neun Rügen ausgesprochen, davon einige aufgrund unklarer Trennung von Anzeigen und redaktionellem Teil. Außerdem rügte das Gremium eine Redaktion wegen der verdeckten Doppelfunktion eines Autors. Zudem wurden 17 Missbilligungen und 22 Hinweise erteilt. Bei neun weiteren begründeten Beschwerden wurde auf eine Maßnahme verzichtet.

Der Presserat als Freiwillige Selbstkontrolle der Print- und Onlinemedien in Deutschland rügte die „Allgäuer Zeitung“ wegen einer Verletzung der in Ziffer 7 des Pressekodex geforderten klaren Trennung von Redaktion und Werbung. Vor den bayerischen Kommunalwahlen hatte der Verlag eine Beilage, bestehend aus bezahlten Anzeigen einiger Kandidaten, veröffentlicht. Andere Kandidaten, die keine Anzeige geschaltet hatten, kamen in der Beilage entsprechend nicht vor. Der Presserat kritisiert die Gefahr einer Irreführung, da durch die Gestaltung der Publikation der Eindruck entstehen konnte, als handele es sich um eine unabhängige redaktionelle Berichterstattung über alle politischen Kandidaten. Gerade im Kontext von Wahlen sei die mangelhafte Unterscheidung zwischen Werbung und Redaktion dazu geeignet, das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex in Gefahr zu bringen, so der Presserat.

Redaktionell gestaltete PR-Texte nicht als solche erkennbar

Auch die „Wilhelmshavener Zeitung“ wurde wegen mangelnder Erkennbarkeit von Werbung gerügt. Eine mit „Exklusiv“ überschriebene Werbeseite, die neben klassischen Anzeigenmotiven insbesondere redaktionell gestaltete PR-Texte enthielt, erfüllte nicht die Anforderungen der Richtlinie 7.1 des Pressekodex. Die Leser bekamen keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine reine Anzeigenseite handelt. Die Redaktion hatte sich bereits wiederholt für diese Gestaltung entschieden, obwohl der Presserat bereits mehrmals festgestellt hatte, dass sie den Anforderungen an eine Kennzeichnung werblicher Inhalte nicht genügt.

Das Internetportal Ingolstad-today.de wurde wegen eines schweren Verstoßes gegen das Gebot zur Trennung von Tätigkeiten nach Ziffer 6 des Pressekodex gerügt. Ein Autor des Portals war als parteiloser Kandidat für die CSU bei der Kommunalwahl gescheitert. In der Folge kritisierte er in einem Kommentar die neue Zusammensetzung des Stadtrats. Ohne auf seine Kandidatur hinzuweisen, kommentierte der Autor auch den Wahlkampf des zur CSU gehörenden Oberbürgermeisters und dessen Konkurrenten. Der Beschwerdeausschuss sah in der verdeckten Doppelfunktion des Autors einen Verstoß, der geeignet ist, die Glaubwürdigkeit der Presse zu beschädigen.

Redaktion zeigt Gesicht eines in Syrien erfrorenen Mädchens

Eine Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex sah der Presserat in der Veröffentlichung eines Fotos eines in Syrien erfrorenen 18 Monate alten Mädchens. Unter der Überschrift „Laila (1) erfror auf der Flucht vor dem Krieg“ hatte Bild.de über den Krieg in Syrien berichtet und da-bei ein Porträtbild des toten Kindes mit offenen Augen gezeigt. Diese Art der Darstellung ist nach Ansicht des Presserats nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verletzt die Menschenwürde des toten Mädchens. Der Presserat hielt den Verstoß gegen den Pressekodex für so schwerwiegend, dass er auch hier eine Rüge aussprach.

Außerdem wurden zwei Rügen wegen Verletzungen des Opferschutzes gegen Bild.de ausgesprochen. Im ersten Fall hatte die Redaktion unter der Überschrift „Diese Liebe endete im Blutbad“ über eine Beziehungstat berichtet, bei der ein junger Mann seine Freundin umgebracht und dann sich selbst das Leben genommen hatte. Im zweiten Fall wurde unter dem Titel „Vater erstickte Kinder mit Bauschaum“ über den Vorwurf informiert, dass ein Mann seine beiden Kinder getötet habe. In beiden Artikeln wurden die Opfer mit Fotos identifizierend dargestellt. Ein öffentliches Interesse daran sah der Presserat nicht und stellte einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 Richtlinie 8.2 fest.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

NRW: Zusammenschluss im Zeitungsmarkt

Die Konzentration im NRW-Zeitungsmarkt, insbesondere in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL), setzt sich fort. Die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt streben eine Kooperation an. Auch die Lippische Landes-Zeitung und das Mindener Tageblatt planen, ihre Verlagsaktivitäten künftig in einer gemeinsamen Holding zu bündeln.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »