Konferenz analysierte Einfluss von Lobbyismus auf Politik und Medien
Ein geschickter und uralter Weg, Einfluss zu nehmen auf politische Entscheidungen, ist der Lobbyismus. Dagegen lässt sich grundsätzlich nichts sagen, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Doch daran ist längst zu zweifeln. Es scheint, als hätten die Lobbyisten das Ruder in die Hand genommen.
Allein im Deutschen Bundestag haben 4.500 der Lobbyisten einen Hausausweis, dem stehen 600 Abgeordnete gegenüber. In Brüssel gibt es 15.000 Vertreter von Verbänden und Unternehmen, die Lobbyarbeit machen. Sie prägen das Meinungsklima durch strategische PR, offensive Kampagnen und subtiles Sponsoring. Journalisten setzen dem meist wenig entgegen – vor allem aufgrund mangelnder Ressourcen für intensive Recherche. Auf der bislang größten Fachkonferenz zum Thema wurde nun nach Strategien gesucht, mit denen die Öffentlichkeit – also auch Journalisten – Licht in das Schatten-Management der Lobbyisten bringen können.
Auch wenn Lobbyarbeit vorwiegend nichtöffentlich stattfindet: Immer wieder sickern Beispiele der unlauteren Einflussnahme durch. Von einem Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz, geschrieben anhand einer Vorlage, die von der Zigarettenlobby stammte und in den Entwurfstext nur reinkopiert wurde, wusste das „Netzwerk Recherche“, Veranstalterin der Konferenz: „In der Lobby brennt noch Licht“, bereits zuvor zu berichten. Auch das Beispiel eines Managers des Flughafenbetreibers Fraport AG wurde zitiert.
Auf der Tagung selbst sorgte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin für reichliches Staunen und Gesprächsstoff. Der Politiker schilderte, wie Bahnchef Hartmut Mehdorn seit Jahren Lobbyarbeit für seine Pläne der Bahnprivatisierung betrieben hat, weitgehend ungestört von kritischen Medien. Was Mehdorn in diesem Zusammenhang argumentiert habe, sei „alles falsch, aber einleuchtend“, so Sarrazin, der mit einer langen Liste von Beispielen aufwartete, um seine Behauptung zu belegen. „Die Bahnreform von 1994 hat bereits viel Geld gespart, sagt Mehdorn. Absolut falsch. Sie hat die Ausgaben für den Staat glatt verdoppelt“, so ein Punkt in Sarrazins Beweiskette.
Dass diese und andere Unwahrheiten trotzdem nie groß an die öffentliche Glocke gehängt wurden, hat für den Finanzsenator einen simplen Grund: „In Mehdorns Vorträgen stimmt nie eine Zahl, es stimmen nur wenige Zusammenhänge. Es stimmt aber immer die Geschichte. Eine gute Story besiegt immer eine komplizierte Wahrheit.“ Und die Story lautet hier: „Es gab eine lahme Beamtenbahn, die kostete unheimlich viel Geld und schlief 150 Jahre vor sich hin. Dann kamen zwei tüchtige Männer, zuerst Dürr, dann Mehdorn, die machten dem ganzen Laden richtig Beine. Der hat gewaltig Marktanteile gewonnen, jetzt wird er auch noch viel billiger, jetzt müssen wir uns ganz davon trennen, damit es richtig effizient wird. Das ist die Aufgabe und dabei verdient der Staat ganz viel Geld.“
Doch es gibt noch andere Gründe für das Ausbleiben öffentlicher Reaktionen auf Mehdorns Kommunikationsstrategie und die dürften symptomatisch sein für die fragwürdige Verbindung zwischen Lobbyisten und Medien. Für den Fall der Bahn nannte Sarrazin die „Heranzüchtung und gezielte Pflege willfähriger Schreiber. Das geschah mit System“ sowie die „Lenkung der Medien mit Entzug und der Gewährung von Anzeigen. Das wurde gegenüber Manager Magazin, Wirtschaftswoche, allen die differenziert berichteten, von der Bahn knallhart durchgezogen.“
Dass dieses Vorgehen in der Presse kein Einzelfall ist, bestätigte Thomas Leif, Vorsitzender von „Netzwerk Recherche“. „Was der Finanzsenator hier gesagt hat, schockt mich absolut“, so Leif. „Aber ich glaube, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das gilt auch für andere Bereiche. Anzeigenzuteilung oder Anzeigenentzug wirkt sich auf den gesamten journalistischen Markt aus. Sie werden in den Regionalzeitungen etwa keinen kritischen Bericht zu Aldi oder Lidl finden. Das ist eine Tabuzone, über die niemand redet.“ Hinzu komme: Einem wachsendem Heer von hochprofessionellen Lobby-Experten stehe eine stetig sinkende Anzahl von Journalisten gegenüber, denen oft die Ressourcen für intensive Recherche fehlten.
PR-Berater Klaus Kocks hingegen formulierte die Problemlage anders. In seinem emotionsgeladenen Statement schob er den Ball komplett den Medien zu und sprach von einer „Verluderung des Journalismus“. „Viele räkeln sich auf dem Ruhekissen der vierten Gewalt aus“, kritisierte Kocks. Das Problem seien die schwachen Journalisten, nicht die Lobby.
Doch wie soll man nun mit Lobbyismus – der sich kaum verbieten lässt – konstruktiv umgehen? „Das Entscheidende sind drei Ebenen“, fasste Thomas Leif sein Fazit der Konferenz zusammen. Lobbyisten müssten sich selbst einen Kodex geben und auf diese Weise transparent arbeiten. Hilfreich sei auch eine so genannte Fußspur in Gesetzesvorlagen, mit der man nachvollziehen kann, wer welche Formulierung aus welchem Lobbyverband gemacht hat. „Und das dritte ist eine Veränderung der Berichterstattung. Medien müssen kritischer mit lobbyistischen Interessen umgehen.“