Über die Notwendigkeit besserer Rechercheausbildung für angehende Journalisten
Dominik Cziesche hat im Sommer seine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule (DJS) beendet und arbeitet nun als freier Journalist in Hamburg. Er ist einer der Gründer des Netzwerks Recherche, dessen Vorstand er angehört.
Sie waren bis vor kurzem Schüler an der Münchener Journalistenschule. Wie viel Recherche lernt man da?
Cziesche: Leider zu wenig, auch wenn die Ausbildung an der DJS sonst topp ist. Die Recherche-Übungen erschöpfen sich in der Regel darin, leicht zugängliche Information abzutelefonieren. Mit zwei immerhin mehrtägigen Kursen gehört die DJS in der Journalistenausbildung, nach dem was ich so höre, allerdings noch zur Crème.
Was hat das Gelernte mit der Wirklichkeit zu tun?
Sehr viel. Denn leider ist es auch praxisnah, dass die Recherche gegenüber der Verpackung zu kurz kommt. Von einer verbesserten Ausbildung in diesem Bereich könnte allerdings ein Impuls für die journalistische Praxis ausgehen.
Sie tauschen sich auch mit anderen Jungjournalisten aus. Was berichten die Kollegen über ihre Ausbildung in Sachen Recherche?
Viele Volontäre beklagen sich bitter: Sie müssen von Termin zu Termin und anschließend ihre Zeilen runterhacken oder ihren Beitrag schneiden. Vielen fehlt für längere Recherchen nicht nur die Zeit, sondern auch die Anleitung – sie fühlen sich schon bei der ersten Informationsblockade zum Beispiel einer Behörde überfordert.
Wie könnte man die Ausbildung in diesem Feld verbessern?
Viele Kollegen in meinem Alter hören ständig von Schönschreibern und zu selten von beharrlichen Rechercheuren. Beides gehört aber zusammen. In der Ausbildung sollte man sich mal an Mammutrecherchen wagen, wie das an einigen amerikanischen Uni-Instituten gemacht wird. Warum können sich nicht auch hier junge Kollegen zusammenspannen und mehrere Wochen unter Anleitung lernen, zum Beispiel jetzt im August eine „Akte Genua“ zu recherchieren – also die offensichtlichen Verstöße gegen rechtstaatliche Prinzipien, zu denen es bei der Speicherung von Daten und bei Festnahmen gekommen ist. So etwas muss nicht jedes Mal in einer Republik-bewegenden Enthüllung enden. Denn Recherche ist vor allem eine gründliche Arbeitsweise, die dazu beiträgt, die journalistische Qualität zu steigern.
Was vermissen Sie bei der Zusammenarbeit mit gewissen Redaktionen? Wo fühlen Sie sich optimal unterstützt?
Ich sehe drei Grundprobleme. Der erste ist der satte Berufszyniker, dem man zuweilen begegnet – und der jede Recherche zu heiklen Themen abblockt, weil er sie einem nicht zutraut. Das zweite Problem ist die mangelhafte Ausbildung, und daraus folgt das Fehlen sachlicher Kritik und unterstützender Anleitung. Und das Dritte ist, leider: Geld und damit zusammenhängend Zeit, die im Redaktionsablauf oft fehlt. Vom Zeilenhonorar einer Zeitung eine mehrwöchige Recherche zu finanzieren ist abenteuerlich. Ich habe trotzdem einige größere Stücke für Tageszeitungen gemacht und draufgezahlt, weil mir die Geschichten wichtig waren. Natürlich bin ich nicht Journalist geworden, um viel zu verdienen, da gibt es nun wirklich andere Berufe. Aber mal im Ernst: Was ist das für eine Arbeit, bei der Sie Geld mitbringen müssen? Redaktionen sollten uns da mehr unter die Arme greifen – und das gilt für junge ebenso wie für ältere Kollegen.
- Interview: Hardy Prothmann