Recherchemethoden

Zulässiges Vorgehen oder Verstoß gegen den Pressekodex?

Zwei Fälle hatte der Beschwerdeausschuss des Presserats auf seiner letzten Sitzung in Bezug auf fragwürdige Recherchemethoden zu bearbeiten. Die Ziffer 4 des Pressekodex sagt zum Thema Recherche: „Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationen und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.“

In dem einen Fall hatte eine Regionalzeitung über die Besetzung eines Abteilungsleiterpostens durch einen Landesminister berichtet. In dem Artikel wird darüber spekuliert, ob bei der Besetzung dieses Postens persönliche Beziehungen ausschlaggebend gewesen sein könnten. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass die in dem Beitrag veröffentlichten Zitate zweier Ministeriumsmitarbeiter im Zuge einer unlauteren Recherche zustande gekommen sind. Ein Mitarbeiter der Zeitung habe die beiden angerufen und sich erkundigt, ob der Dienstposten noch offen sei und dabei die veröffentlichten Aussagen erhalten. Er habe sich nicht als Journalist vorgestellt, sondern als Bewerber für diesen Posten. Insofern liege eine verdeckte Recherche vor. Die Zeitung teilt mit, dass die Personalangelegenheiten im Ministerium von großem öffentlichen Interesse seien und schon öfter Anlass zur Berichterstattung gaben. Der Autor habe von vornherein damit gerechnet, dass die Angaben des Ministeriums über die noch schwebende Personalangelegenheit dürftig ausfallen würden. Insofern sei ihm nur die Möglichkeit der verdeckten Recherche geblieben. Anschließend habe man das Ministerium mit den Ergebnissen konfrontiert und dessen Stellungnahme abgedruckt.

Offizielle Wege nutzen

Der Beschwerdeausschuss erklärt die Beschwerde für begründet und spricht eine Missbilligung aus. Er war der Ansicht, dass die Zeitung mit der Veröffentlichung sowie der Recherche zu dieser Veröffentlichung gegen die Ziffern 2 und 4 des Pressekodex verstoßen hat. Der Ausschuss kritisierte neben einem falschen Fakt die verdeckte Recherche. Zwar kann ein solches Vorgehen presseethisch gerechtfertigt sein, wenn damit Informationen von öffentlichem Interesse erlangt werden können, die auf anderem Weg nicht zu bekommen sind. Im konkreten Fall wäre es allerdings angebracht gewesen, vor dem verdeckten Recherchieren den Versuch zu unternehmen, die entsprechende Information auf offiziellem Wege über die Pressestelle zu bekommen. Da dies nicht geschehen ist, erkannte der Ausschuss eine Verletzung der in Ziffer 4 Pressekodex festgeschriebenen Recherchegrundsätze.

Anfrage führte zu Ermittlungsverfahren

In dem zweiten Fall hatte ein freier Journalist einer überregionalen Zeitung unter dem Briefbogen der Zeitung ein Fax an die Pressestelle einer Staatsanwaltschaft geschickt. Darin teilt er mit, dass ihm aus einem Rathaus von mehreren Seiten zugetragen worden sei, dass ein namentlich bekannter Politiker um das Jahr 1995 gemeinsam mit einem Bauamtsmitarbeiter Dienstgeheimnisse zu seinem Vorteil ausgenutzt hätte. Der angebliche Vorgang wird detailliert geschildert. Gleichzeitig stellt er die Frage, ob es diesbezüglich staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die beiden oder andere Personen gebe. Aufgrund dieser Anfrage kam es zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und einer umfangreichen Presseberichterstattung darüber. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass sich der Journalist ohne weiteres durch Nachfrage davon hätte überzeugen können, dass der erwähnte Bauamtsmitarbeiter bereits seit 1991 nicht mehr im Bauamt gewesen sei. Insgesamt ist er der Meinung, dass vor Anfrage bei der Staatsanwaltschaft eine sorgfältigere journalistische Recherche angebracht gewesen wäre. Da diese nicht stattgefunden hat, sei durch die Anfrage ein Ermittlungsverfahren provoziert worden. Die Redaktion sieht keinen Verstoß gegen den Pressekodex. Der Journalist habe aus sehr zuverlässigen Quellen erfahren, dass durch einen Mitarbeiter Akten unzulässigerweise weitergegeben wurden und darauf bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt. Der Journalist habe weder über die Ergebnisse seiner Recherchen noch seiner Anfrage bei den Ermittlungsbehörden in der Zeitung etwas publiziert.

Sorgfaltspflicht erfüllt

Dass die Staatsanwaltschaft seine Recherche zum Anlass nahm, die Kriminalpolizei einzuschalten, könne man ihm nicht zum Vorwurf machen. Diese Beschwerde weist der Beschwerdeausschuss als unbegründet zurück. Er kam zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung der Ziffern 2 und 4 des Pressekodex nicht vorliegt. Bei der von dem Journalisten vorgenommenen Recherche handelt es sich um ein zulässiges Vorgehen, das zur Überprüfung von Informationen aus dem Rathaus diente. Es war auch nicht notwendig, vor der Anfrage an die Staatsanwaltschaft die Informationen im Einzelnen bei anderen Quellen nachzuprüfen. Insbesondere deshalb nicht, da der Journalist der angebliche Vorgang von mehreren Informanten zugetragen wurde.

Der Vorwurf, der Journalist habe Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter Verletzung von Sorgfaltspflichten provoziert, ist aus Sicht des Ausschusses unbegründet. Die Bewertung von Informationen unter dem Gesichtspunkt eines Anfangsverdachts liegt ausschließlich in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Dienstleister bestreikt den MDR

Der gestrige Streik der MCS TEAM GmbH zeigte deutliche Auswirkungen auf das Fernsehprogrammprogramm des MDR. Live-Schalten fielen aus und nicht alle Beiträge in der Sendung „Sachsen-Anhalt Heute“ konnten ausgestrahlt werden. Hintergrund des Streiks waren die bislang unzureichenden Angebote der Geschäftsführung. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert eine Erhöhung der Gehälter um 6 Prozent, mindestens aber um 200 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
mehr »

Einschüchterung durch Klagen

Bis zum 7. Mai 2026 muss die Anti-SLAPP-Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Auf der Basis einer Umfrage, an der sich 227 Personen im September 2024 beteiligten, hat die Mannheimer Professorin Stefanie Egidy untersucht, gegen wen sich diese Strategischen Klagen in Deutschland richten, was ihre besonderen Merkmale sind und welche Reformen im deutschen Recht nötig sind, um Betroffene zu schützen und zu unterstützen. 60 Prozent der Teilnehmer*innen, die auf eigene Erfahrung verweisen konnten, arbeiten im Journalismus.
mehr »

Frauen im Journalismus stärken

Anlässlich des Internationalen Frauentags fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di einen Aktionsplan zur Stärkung von Frauen im Journalismus. Als erste Berufsvertretung hat sie frauenpolitische Forderungen für die Medienbranche formuliert und diese an den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) sowie den Medienverband der freien Presse (MVFP) adressiert. „Bei der Bezahlung, dem beruflichen Aufstieg und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben unsere Kolleginnen meist das Nachsehen. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, fordert Renate Gensch, Mitglied im dju-Bundesvorstand.
mehr »

Europarat muss Pressefreiheit schützen

Anlässlich der Vorstellung des diesjährigen Europarats-Berichts zur Pressefreiheit in Europa fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di die Gremien der Europäischen Union zur dringenden Umsetzung verbindlicher Schutzmaßnahmen von Pressevertreter*innen auf. „Wir beobachten die drastische Zunahme von Angriffen auf unsere europäischen Kolleginnen und Kollegen mit großer Sorge, denn sie hängen unmittelbar mit dem Erstarken demokratiezersetzender politischer Bewegungen zusammen“, sagt der dju-Co-Vorsitzende Lars Hansen.
mehr »