Der Trend: Sparzwänge zufrieden positiv umgedeutet
Die Medienbranche ist in der Krise, es muss gespart werden. Journalisten hören dies nahezu täglich. Freie von Redakteuren, Redakteure von Chefredakteuren, und die von Verlegern. Was hat das mit journalistischen Inhalten zu tun? Nun, jeder halbwegs spannende Themenvorschlag löst unmittelbar die Gegenfrage aus: Ja, ist das denn finanzierbar?
Nun stelle man sich vor, Jörg Pilawas Moderatoren-Vertrag würde vor jeder seiner Lach-Schmuse- und Stadt-Land-Fluss-Spielchen in der ARD erneut in Frage gestellt: Auf dem Bildschirm wäre ein verdrießlich gestimmter Entertainer zu sehen, der verbittert Kandidaten striezt. Oder angenommen, die Jungs von Bayern-München würden vor jedem Spiel demotiviert: Kann leider nicht übertragen werden, zu teuer. Bis schließlich die rettende Idee käme: „Ach, wartet mal, Jungs, wir könnten die Spielzeit auf fünf Minuten verkürzen. Ihr lauft langsamer, zielt vorm Tor ein bisschen daneben. Die Honorierung wird dem geminderten Energieaufwand angepasst. Keine Panik, kein Programmverantwortlicher hat so etwas vor, die deutsche Volksseele würde kochen …
Doch im Journalismus geht das alles: Wie? Die Recherche ist nicht angemessen honoriert? Ja, Kollegin, dann nimm Dir doch einen Teilaspekt vor. Oder: Du musst ja nicht bis zum Schluss bei der Veranstaltung bleiben, ein Anruf beim Pressesprecher tut es doch auch. Bereits die Themenabsprache kommt häufig einer Aufforderung gleich, journalistisch unsauber über den Stoff hinweg zu pfuschen. Die berühmte „Schere im Kopf des Journalisten“, für so manch blinden Opportunismus verantwortlich, schnippelt maßgeschneidert nach Marktkriterien. Kollegen, die kritische Thesen vertreten, riskieren Konflikte. Das kostet Zeit. Uneffektiv. Zieht der Zeitungsartikel, der Fernseh- oder Radio-Bericht eventuell eine Leser-, Zuschauer- oder Hörer-Debatte nach sich? Dies bedeutet unbezahlte Mehrarbeit.
Personalisierung und Fixierung auf Menschen in Machtpositionen sind derzeit im Journalismus en Vogue. Hustet Spass-Guido, räuspert sich Friedmann, sie tuns professionell – schnell dahin geschrieben, telegen, rhetorisch ausgefuchst. Das rechnet sich. Unkonventionelle Gesprächspartner hingegen, die in Interviews ihre Aussagen überdenken, Formulierungen abwägen, kamerascheu sind und obendrein Erklärungsbedarf erzeugen, warum ihre Ansicht relevant ist: für einen Journalisten, der seinen Lebensunterhalt verdienen muss, unerquicklich.
Bei Medienkongressen, wie den „Mainzer Tagen der Fernsehkritik“, findet man dies alles nicht so tragisch. Es liegt im Trend, Sparzwänge zufrieden positiv umzudeuten. Was wohl damit zusammen hängen mag, dass sich Mangel an Demokratie an den Spitzen der Hierarchien als potentieller Machtzugewinn äußert. Fernsehspiel-Chef Hans Janke (ZDF) etwa ist der Auffassung, dass es als Folge der Krise eben weniger eigen produzierte Sendungen geben werde. Dann jedoch solche, die man wiederholen könne. Vorzug: Man müsse „keine Tapferkeit vor dem Freund mehr beweisen“, könne leichter ablehnen, wenn „man“ bestimmte Produktionen nicht mehr im Programm haben will. Es muss nicht mehr argumentiert und begründet werden. Von übermäßiger Fettleibigkeit, die abgespeckt gehöre, ist die Rede, von Gesundschrumpfung.
Bei solchen Anlässen fehlt selten die These, der Markt reguliere sich selbst. Natürlich nur, „wenn man es nicht übertreibt und fehlerhaft leichtsinnig investiert“, wie der Wirtschaftsfachmann und Präsident des Management Zentrum St. Gallens, Fredmund Malik behauptet. Der Dokumentarfilmer und Kriegsberichterstatter Christoph Maria-Fröhder ist von der „Selbstbereinigung des Marktes“ nicht überzeugt. Er befürchtet, dass die gesellschaftspolitische Wächterfunktion der Medien untergraben wird. Brisante Themen würden in Redaktionen zunehmend abgeschmettert. Besorgt registriert der Mitbegründer des „Netzwerk Recherche“, das dem Nachwuchs bei investigativen Recherchen auf die Sprünge helfen will, zudem: „Es mangelt an mutigen Ideen.“ Sind journalistische Standards bereits so heruntergefahren, dass in öffentlich-rechtlichen Sendern als zu kantig angesehene Sujets bei jungen Kollegen keinen Ehrgeiz mehr wecken? Pisa auch im Journalismus? Prägen Guido Knopps Hochglanzdokus mit verkürzten Zeitzeugenaussagen vor schwarzer Wand, Hitlers Frauen, Hitlers Hunde, Hitlers Schnürsenkel etc, derart, dass kreative Ideen ausbleiben? Konditionieren vermeintliche Sparzwänge junge Journalisten, zum brav-gelangweilten Füllen vorgegebener Formate? Und das in einer Krisenstimmung, in der wache und kritische Köpfe mehr denn je vonnöten sind?