Jeder Freiberufler kennt das: Ein überfälliges Honorar kommt nicht. Es ist wie verhext. Man fragt bei der Redaktion nach, dort heißt es: „Das Geld ist angewiesen.“ Man fragt in der Buchhaltung: „Das Geld ist unterwegs.“ Halten vielleicht die Banken den Fluss der Werte in virtuellen Stauseen auf? Drei bis fünf Werktage dauern Überweisungen, nicht länger – das geldwerte Institut beteuert, da habe sich noch nie was „in Luft aufgelöst“.
Also erneut die vertraute Nummer des Auftraggebers gewählt. Der Redakteur hat jetzt einen Termin und gleich danach Urlaub. Seine Vertretung will, dass man wartet, bis er wieder da ist. Man flötet ins Telefon, hat Rechnungen zu zahlen. Schweren Herzens wird ein Ordner gewälzt, es raschelt verheißungsvoll. „Nee, hier ist nichts. Tut mir Leid.“ Das ist eine GAU: eine größte anzunehmende Überweisungspanne. Dabei ist die gesetzliche Regelung so sinnvoll wie klipp und klar: Zwei Monate nach Abgabe eines bestellten Manuskripts muss es bezahlt sein.
Faktisch aber macht schon glücklich, wenn nach drei Monaten Leerlauf erklärt wird, die Anweisung sei „gerade“ zum Abzeichnen vorgelegt. Oder das Geld sei „diesen Moment“ abgeschickt. Ungünstiger die Prognose: „Das bearbeitet der neue Kollege.“ Oder: „Der Koordinator muss das prüfen, das kann dauern.“ Eine abgezeichnete Rechnung soll wochenlang geprüft werden? Tut Scheiden vom Gelde so weh? Ich, Vegetarierin mit Erste-Hilfe-Schulung, fühle mich wie unter „Kannibalen, die kein Blut sehen können“, wie Heiner Müller mal formulierte.
Und dann die muntere Stimme der Verwalterin. „Ich als kleines Rädchen kann da leider gar nichts machen.“ Das Rädchen bekommt sein Gehalt. Damit es Mitarbeitern das Gefühl gibt, missliebige Bittsteller zu sein. Zu Tschechows Zeiten sagte man: „überflüssige Menschen“. Manchmal aber gibt ein Rädchen Hinweise. Etwa: „Bei uns fielen Leute aus“, „Ich bin allein“, „Hier sind zwei Kollegen krank und ich auch bald.“ So wirst du Beten geschickt. Außer Gott stets schuld: die Technik. Da soll’s ein Trost sein, dass du nicht alleine leidest.
Aus den Chefetagen kommen zudem hübsche Ideen, die Budgets lange und intensiv zu schonen. So versendet ein Fachverlag Verrechnungsschecks: Es dauert, bis die eingelöst sind. Die Vorzimmerdame weiß, dass die Geschäftsleitung heimlich darauf setzt, dass der Gang zur Bank vergessen wird. Was ist das: Erhoffter Betrug? In den Bereich tätigen Prellens gehört hingegen das Verschlampen von Honoraren oder auch Teilsummen. „Ach ja“, heißt es dann, „das wird nachbezahlt.“ Aber nicht sofort: „Da machen wir nächstes Mal einen Aufschlag.“ Das erfordert Vertrauen: Wenn erneut „vergessen“ wird, was schon „so lange her“ ist, darf man sich anhören, weshalb Anderes „wichtiger“ sei.
Am skurrilsten aber sind jene Jungredakteure, die sich mit wortwörtlich billigen Methoden profilieren wollen. Ihnen fällt viel ein, um bei Vorgesetzten als sparsam dazustehen. „Reden Sie nicht vor der Montagssitzung mit mir über Geld“, fleht mich ein hochbezahltes As aus einer Ressortleiter-Stellvertreter-Riege an. Offenbar fordert ihn die Konferenz derart, dass er vorher zu nichts fähig ist. Am Dienstag hat er „keine Zeit, um über Geld zu reden.“ Klasse auch sein Spruch am Mittwoch: „Ich habe ja seit Monaten Texte von Ihnen auf Halde.“ Eben deshalb werden die Zahlungen dringlich. „Seien Sie doch nicht so ungeduldig.“ Hey, Superboss: Sparen Sie sich das!