Synchronpreise im Keller

Ergänzung zum Beitrag in M 10/2007: Ins Gerede gekommen

Fast auf der ganzen Welt wird synchronisiert. Deutschland hat noch den Ruf, das qualitativ beste Synchronland der Welt zu sein. Wenn aber zukünftig weiter auf schnell und billig synchronisiert wird, ist dieser Vorteil vertan und die Produkte werden im Entstehungsland synchronisiert. Das führt zumindest zu finanziellen Verlusten – nicht nur für die in der Branche Beschäftigten.

„Meine Hauptdarstellerin hat eine Piepsstimme“, sagte Alfred Hitchcock. „Könnten wir sie nicht synchronisieren lassen?“ Es war sein erster Tonfilm und er ist damit der Erfinder der Synchronisation. Wenn der Autor des Beitrages: „Ins Gerede gekommen“ das Gefühl hat, John Wayne reite bei ihm durch die Besenkammer, kann ich dem nur entgegenhalten: Heute haben wir weit bessere technische Möglichkeiten. Dennoch gönnt man Chuck Norris in „Walker Texas Ranger“ nicht einmal die Atmo (Hintergrundatmosphäre), weil die dem Studio in der Herstellung zu teuer ist und die Produzenten kein Geld für das IT ausgeben wollten.

Sorge nur vorgegaukelt

Überhaupt ein zahmer Artikel. Jeder Cent, der an den Freien und Studios im Synchron gespart wird, fließt in die Taschen der Produktionsfirmen (meistens Kinoverlage und Sender) und auch hier der Produzenten, die heucheln, wenn sie Sorge vorgaukeln. Der Film, die Serie, die im Ausland gekauft wird, kostet Hunderttausende von Dollar und wird dann laut Kalkulation der Vertreiber für Zehntausende von Euro synchronisiert. Die Studios haben mit Tausenden von Euro ihr Angebot abzugeben. Bereits Cent-Beträge entscheiden über die Vergabe. Redakteure bei den Sendern haben oft das biblische Alter eines Mittzwanzigers. Für viele sind Allgemeinbildung und Deutsch an sich schon Fremdworte. Sie lesen das Drehbuch, ohne sich den Film jetzt oder später anzusehen. Hauptsache man „macht irgendwas mit Medien“.

Nein, die Preise sind nicht „um bis zu 25 Prozent gefallen“, sondern weit tiefer. Wurde das Synchronisationsdrehbuch für einen 90-minütigen Film 1993 noch mit bis zu 8000 DM honoriert, bekommt derselbe Autor heute 1800 Euro. Damit haben wir jemanden, der gut im Geschäft ist. Früher hatte er für ein Drehbuch zwischen zweieinhalb und vier Wochen Zeit, heute muss er es oft in drei bis vier Tagen fertig haben. Die Aufnahmen lagen damals bei einem Minimum von zwei Wochen. Heute werden zwischen drei bis vier Tage angesetzt. Besonders schlimm für die Hauptrollen, die ständig präsent sein müssen. Beginn 9 Uhr, und es kann passieren, dass man bis 18 oder sogar 22 Uhr und länger im „Schuhkarton“ steht. Die Regisseure, überwiegend die Drehbuchautoren, werden gerne mal vom Aufnahmeleiter ersetzt, so er fest angestellt ist, oder gleich vom Chef, der, um es überspitzt zu sagen, sein Jurastudium abgebrochen hat, weil auch er „gern was mit Medien machen“ will.

Cutter als Dinosaurier

Damals waren die Takes Minimum 3 Sek., höchstens 6 Sek. lang. Heute sind die Takes meist 10 Sek. bis 15 Sek., ja sogar 20 Sek. lang. Ein Anfänger startete früher mit 4,50 DM. Synchronstars (was nichts mit dem Bekanntheitsgrad beim Publikum zu tun hat) bekamen bis zu 7,50 DM pro Take. Der Takepreis liegt heute, trotz der Empfehlung durch connexx.av im Jahre 2005, in Hamburg bei 2,50 Euro, und zwar für Anfänger und Langjährige. Es ist bekannt, dass die Preise zwischen Berlin, München und Hamburg stark differieren. Besonders München ist ein hochpreisiger Markt. Mit anderen Worten, in unserer Branche belebt die Konkurrenz nicht das Geschäft, sondern führt zum Studiosterben. Die Frage ist nur, was der Bundesverband deutscher Synchronproduzenten, der sich seit zwei Jahren auf dem Markt tummelt, endlich dagegen unternehmen will. Ergo liegt der Preisverfall inzwischen bei 70 Prozent, im besten Fall bei 50 Prozent, wenn man alle Faktoren zusammennimmt.
Und hier noch etwas zum Sterben: Synchroncutter werden mittlerweile als Dinosaurier angesehen. Synchronautoren werden eingespart und es wird mit den Übersetzungen in die Studios gegangen. Man erwartet von den SchauspielerInnen, dass sie diese Kleinigkeit mitbesorgen. Der Job des Takers wird meist von den Tonassistenten übernommen. In Hamburg tippen die Autoren ihre Drehbücher selber, weil ihnen das Studio sonst den Auftrag kappt. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass durch einen nicht anwesenden Cutter, ein nicht lippensynchrones Drehbuch, nicht ordentlich unterteilte Takes, zu viele Tippfehler hohe Zeitverluste entstehen. But: „Time is money.“

Castings nicht bezahlt

Und wer glaubt, das alles sei übertrieben, es geht noch schlimmer. Castings werden nicht mehr bezahlt, Grundgagen, wenn überhaupt, dann nur noch für eine Produktion bezahlt, obwohl man für mehrere engagiert ist. Seit 1999 befassen sich Finanz- und Kriminalamt mit dem Skandal um die Aufnahmeleitermafia in Berlin, die von SynchronschauspielerInnen Schmiergelder fordert.

„Sprint in Hamburg“

Nach den Konkursen zweier Synchronstudios in Hamburger gründete sich 1999 der SprecherInnenrat. 2000 beschloss dieser, der ver.di beizutreten und nannte sich ab sofort SchauspielerInnenrat (Sprint). Seine Mitglieder treffen sich jeden zweiten Monat im Hamburger DGB-Haus. Zum festen Kern gehören u. a. Sygun Liewald, Rolf Becker, Achim Schülke, Ben Hecker und Claudia Jüterbock.

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