Unantastbare Nato

Gleich für zwei Tageszeitungen sollte der Berliner Journalist und Pressefotograf Björn Kietzmann Anfang April über den Nato-Gipfel im deutsch-französischen Grenzgebiet berichten. Doch die Nato-Pressestelle verweigerte ihm die Akkreditierung.

Er könne Teile der Veranstaltung im Life-Stream via Internet verfolgen und auch die ins Netz gestellten Fotos der Nato kostenlos verwenden, teilte man ihm mit. Erst auf Nachfrage erfuhr er, dass Informationen des Bundeskriminalamts hinter der Ablehnung steckten. Seitdem fragt sich Kietzmann, ob seine kritische Berichterstattung im Jahr 2008 über den Nato-Gipfel in Bukarest und die Behinderung der Proteste von Antimilitaristen dagegen, den Ausschlag für die Ablehnung gaben?
Auch der für die polnische Ausgabe der Le Monde Diplomatique arbeitende Kamil Majchrzak erhielt keine Akkreditierung. Er musste sich schon im Juni 2007 für den G8-Gipfel in Heiligendamm gerichtlich einklagen. Beim Nato-Gipfel blieb auch bei ihm der Rechtsweg aus gleichem Grunde erfolglos. Das Wiesbadener Verwaltungsgericht hatte zunächst entschieden, dass es für die Weitergabe von Daten des BKA an das Nato-Hauptquartier keine Rechtsgrundlage gebe. Das daraus resultierende Negativ-Votum solle zurück genommen werden. Was auch geschah. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel folgte jedoch der Beschwerde des BKA und erklärte sinngemäß: Durch die Weitergabe der Daten seien bereits vollendete Tatsachen geschaffen worden. Es sei unwahrscheinlich, dass die Nato als überstaatliche Institution ihre Entscheidung revidiere. Insoweit hätten die beiden Journalisten ohnehin keinen Anspruch auf Rechtsschutz gehabt. Eine Mitarbeiterin der Nato-Pressestelle gegenüber Spiegel-Online: Die Akkreditierung werde nicht erteilt, egal was ein Gericht in Deutschland entscheidet.
Als „rechtsstaatlich nicht begründbar“ und als „willkürliche Farce“ benennt dju-Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maerks-Franzen dieses Vorgehen. Unter „freier und ungehinderter Pressearbeit“ verstehe man wirklich etwas anderes. Und tatsächlich handelt es sich hier um eine Einschränkung der Pressefreiheit, die jeden Journalisten tangieren könnte. Schließlich setzt die Schere im Kopf bereits an, wenn man sich fragen muss, ob ein kritischer Bericht einen existenzbedrohenden Ausschluss zur Folge haben kann. Und welches Medium vergibt Aufträge an Journalisten, die mit Informationen aus dem Internet vorlieb nehmen müssen? Wie diese Maßnahme mit den von Nato-Verantwortlichen häufig im Munde geführten Begriffen wie Freiheit und Demokratie vereinbar ist, wäre eine weitere Frage.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Anteil von Frauen in Führung sinkt

Nach Jahren positiver Entwicklung sinkt der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus das zweite Jahr in Folge. Der Verein Pro Quote hat eine neue Studie erstellt. Besonders abgeschlagen sind demnach Regionalzeitungen und Onlinemedien, mit Anteilen von knapp 20 Prozent und darunter. Aber auch im öffentlichen Rundfunk sind zum Teil unter ein Drittel des Spitzenpersonals weiblich.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »