Virtuell eintauchen

Mit der virtuellen Brille das Innere einer Druckmaschine erkunden, auch das können immersive Mediengestalter*innen simulieren. Foto: Projekt Social Virtual Learning

Ein neuer Ausbildungsberuf zur Gestaltung immersiver Medien

In einem leeren Raum in der Berufsschule setzen die Azubis eine Virtual-Reality-Brille auf und finden sich im nächsten Augenblick in einer riesigen Halle vor einer Druckmaschine wieder. Gemeinsam mit Avataren ihrer Mitschüler*innen, also Grafikfiguren, nehmen sie die Maschine auseinander, sehen mit eigenen Augen, wie die Walzen funktionieren, wo das Papier entlangläuft und wie der Farbfluss verläuft.

„Virtual Reality ist keine Zukunftsmusik mehr“, sagt Thomas Hagenhofer vom Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA). Einsatzkräfte simulieren auf diese Weise Gebirgsrettungen, Menschen reisen virtuell in den Urlaub, therapieren Ängste oder prüfen per App, wie das Sofa aus dem Möbelhaus ins Wohnzimmer passt.

Ob Lernmedien, Medizin, Werbung, Kultur, Architektur, Bau oder Spiele – überall boomt Virtual Reality. Stellt sich die Frage: Wer gestaltet diese Produkte? Höchste Zeit, dass dafür ein eigener Ausbildungsberuf geschaffen wird.

Ab Sommer 2023 könnte die Gestaltung immersiver Medien als dreijährige Ausbildung angeboten werden. Immersiv – abgeleitet von dem englischen Wort „immersion“ – heißt so viel wie eintauchen, sich vertiefen – in die virtuelle Welt. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat festgestellt, dass es einen steigenden Bedarf für die Gestaltung der Produkte gibt. „Die Unternehmen haben große Not, qualifiziertes Personal zu finden“, berichtet Heike Krämer. Bislang arbeiteten vor allem Quereinsteiger*innen in der Branche. Private Bildungsträger verlangten für solche Weiterbildungen viel Geld, teilweise im fünfstelligen Bereich, und die Qualität sei oft nicht überprüfbar. „Diesem Geschäftsmodell wollen wir etwas entgegensetzen.“

In den vergangenen Jahren sei deutlich geworden, dass die immersive Medien ihr Nischendasein verlassen hätten, fügt Thomas Hagenhofer vom ZFA hinzu. „Sie haben den Sprung geschafft, eine normale Technik zu werden, so wie andere digitale Medien auch.“ Mit der Zeit hätten sich auch Standardprogramme wie Unity oder Unreal durchgesetzt. Der Schwerpunkt des neuen Berufs liege vor allem auf der Gestaltung, weniger auf Konzeption oder Programmierung. Die Arbeit sei sehr stark teamorientiert. Außerdem sollten die Auszubildenden detailverliebt sein. Je näher die Abbildung der realen Umgebung nachempfunden sei, desto besser lasse sich in die virtuelle Welt eintauchen.

Inzwischen gibt es nach Angaben von Thomas Hagenhofer und Heike Krämer deutschlandweit zahlreiche Unternehmen, die sich auf immersive Medien spezialisieren, etwa Werbeagenturen, IT-Abteilungen, Fernseh-Produktionen oder Bildungsanbieter. „Zwar noch nicht in Riesenzahlen, aber mit wachsender Größe“, hat Thomas Hagenhofer beobachtet.

Heike Krämer vom Bundesinstitut für Berufsbildung ist überzeugt davon, dass die Corona-Pandemie der Technik zu einem Boom verholfen habe. Das Staatstheater Augsburg hat beispielsweise während des Lockdowns eine virtuelle Aufführung inszeniert. Die Zuschauer*innen bekamen Brillen nach Hause geschickt und konnten nicht nur das Stück ansehen, sondern auch die Bühne begutachten und um die Schauspieler*innen herumspazieren. Viele Unternehmen setzten jetzt verstärkt auf 3D-Räume, um ihre Beschäftigten an verschiedenen Standorten zu vernetzen, sagt die Berufsexpertin. „Immersive Medien bieten unglaublich viele Möglichkeiten.“ Es ist zu erwarten, dass die Ausbildung zunächst in Medienstädten wie Berlin, Köln, München und Hamburg angeboten wird. „Selbst wenn es zu Beginn nur wenige Auszubildende und ein paar Klassen gibt, wäre das ein toller Start und eröffnet großartige Chancen.“

Aktuelle Informationen zum Stand von Ausbildungsmöglichkeiten stehen beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

 

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