Wehren wir uns gegen Hass und Hetze

Als ich zum ersten Mal mit Hassmails überschüttet wurde, man mich beleidigte und mir Krankheiten an den Hals wünschte, sagte mir ein Freund etwas Nüchternes: Journalisten müssten das eben hinnehmen, „so, wie Ärzte Blut hinnehmen müssen“. Wirklich?

Die Analyse stimmt. Wer heute in diesem Land Journalist werden will, muss sich auf ein verändertes Berufsbild gefasst machen. Er (oder sie) ist nicht mehr der Muckraker, der sich durch den Mist wühlt und ins Visier von skrupellosen Politikern und Geschäftemachern gerät – zumal immer weniger Redaktionen überhaupt noch in Recherchen investieren. Nein, ein Journalist muss heute mit einem neuen, unsichtbaren, digitalen Widersacher umgehen, der – organisiert oder zufällig – im Schwarm auftritt. Es sind Extremisten, Kriminelle, aber auch einfache Bürger, die jedes Maß verloren haben, die Hass empfinden, Hetze verbreiten. Die für Fakten und Argumentation nicht mehr zugänglich sind.

Die vielen, sie nennen sich „Adolf Hitler“, rufen auf zur Hatz auf Autoren, zum Mord an Merkel, zum Abschuss von Flüchtlingen. All das sind Beispiele, die ich gelöscht habe oder löschen ließ. Immer haben die Verfasser ihre Klarnamen angegeben. Hemmungen: Fehlanzeige.

Sie zielen verbal auf alle, die für sie das System „Lügenpresse“ repräsentieren. Fernsehmoderatorinnen mit Migrationshintergrund wie Dunja Hayali, Printreporter wie Andreas Kopietz, der für die „Berliner Zeitung“ über die russische Propaganda im Fall „Lisa“ berichtete. Es ist gut, dass die Betroffenen dagegen juristisch vorgegangen sind.

Hasskommentare ausfiltern, anprangern, anklagen: Auch das gehört heute offenbar zum Journalistendasein.

Bislang glaubten wir, in Deutschland sei das ein sicherer Beruf. Blut sehen, das mussten allenfalls Kriegs- und Krisenreporter. Doch die Berichte über die jüngsten Angriffe auf Journalisten haben uns eines Besseren belehrt. Ein Kolumnist des Berliner „Tagesspiegel“ wird krankenhausreif geprügelt. Auf einer AfD-Demo in Magdeburg werden zwei Filmteams von MDR und ZDF mit Pfefferspray attackiert.

Das ist die traurige Erkenntnis zu Beginn des Jahres 2016: Die Gewalt – sei es in Villingen-Schwenningen oder in Magdeburg – hat in den Foren angefangen.

Beginnen wir endlich, uns dagegen zu wehren.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Anteil von Frauen in Führung sinkt

Nach Jahren positiver Entwicklung sinkt der Anteil von Frauen in Führungspositionen im Journalismus das zweite Jahr in Folge. Der Verein Pro Quote hat eine neue Studie erstellt. Besonders abgeschlagen sind demnach Regionalzeitungen und Onlinemedien, mit Anteilen von knapp 20 Prozent und darunter. Aber auch im öffentlichen Rundfunk sind zum Teil unter ein Drittel des Spitzenpersonals weiblich.
mehr »

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Unsicherheit in der Medienlandschaft

Künstliche Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf die Medienbranche wurden auch bei des diesjährigen Münchner Medientagen intensiv diskutiert. Besonders groß sind die Herausforderungen für Online-Redaktionen. Im Zentrum der Veranstaltung  mit 5000 Besucher*innen, mehr als 350 Referent*innen aus Medienwirtschaft und -politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, stand allerdings die Frage, wie Tech-Konzerne reguliert werden sollten.
mehr »

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »