Wichtiger presserechtlicher Schutz ginge verloren

BGH: Journalistenbüros sind keine geschützten Redaktionsräume

Pauschalist der taz scheiterte mit seinem Widerspruch gegen eine Durchsuchung seines Büros. Dagegen legt er jetzt Verfassungsbeschwerde ein. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluß vom 13.Januar entschieden, daß die Räume von freien Journalisten auch ohne Anordnung eines Richters durchsucht werden dürfen. Der sogenannte „Richtervorbehalt“ schütze nur die Räume von Redaktionen, Verlagen, Druckereien und Rundfunkanstalten. Der betroffene Mitarbeiter der taz hat jetzt dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Angesichts der zunehmenden Auslagerung von Arbeitsplätzen gehe, so argumentiert er, ein wichtiger presserechtlicher Schutz verloren, wenn Journalistenbüros beim Zeugnisverweigerungsrecht den Redaktionszentralen nicht gleichgestellt würden. Der Fall war klassisch: Die Berliner taz-Räume sollten wieder einmal durchsucht werden, nachdem die Zeitung im August 1997 einen Brief aus dem ehemaligen RAF-Untergrund zitiert hatte, der die Bundesanwaltschaft interessierte. Beschuldigte darin doch die untergetauchte Andrea Wolf (die mittlerweile als PKK-Kämpferin von türkischen Militärs erschossen worden ist) den V-Mann des Verfassungsschutzes Klaus Steinmetz, von dem RAF-Anschlag auf den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt 1993 vorab gewußt zu haben.

Die taz wurde schließlich doch nicht durchwühlt, weil der Bericht über den Brief gar nicht in der Redaktion entstanden war, sondern aus dem Journalistenbüro des taz-Pauschalisten Wolfgang Gast per e-mail überspielt worden war. Daraufhin zog Oberstaatsanwalt Volker Homann mit seiner BKA-Begleitung ein paar Straßen weiter und drohte dem Autor des Artikels mit der Durchsuchung der Räume, die er mit anderen Kollegen als Bürogemeinschaft teilt. Der Haken: Einen Durchsuchungsbefehl hatte er nur für die taz. Also konstatierte er „Gefahr im Verzug“ und stellte sich die Genehmigung selber aus. taz-Pauschalist Gast arbeitet seit vielen Jahren zu Geheimdiensten und innerer Sicherheit. Er zog es vor, seine Archive der vor ihm stehenden Beamtenschar nicht für weitere „Zufallsfunde“ zu überlassen, und überreichte ihnen stattdessen eine Fotokopie des gesuchten Briefes.

Seine anschließende Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung richtete sich einerseits gegen den Bruch des Zeugnisverweigerungsrechtes, andererseits gegen die Eigenmächtigkeit des Staatsanwaltes. Wie gewohnt argumentierte daraufhin der 3. Strafsenat des BGH, der grundsätzliche Schutz vor Beschlagnahme entfalle, weil die Verfasserin des offenen Briefes ja die Veröffentlichung selber gewollt habe. Neu in diesem Beschluß ist dagegen die Rechtfertigung für das Fehlen einer richterlichen Anordnung: Der „Richtervorbehalt“ sei wegen der „erhöhten Störanfälligkeit eines Pressebetriebs“ ins Gesetz aufgenommen worden. Vergleichbar empfindliche Störungen seien „jedoch bei der Durchsuchung im eigenen Büro eines freien journalistischen Mitarbeiters…nicht zu befürchten“. (BGH StB 14/98)

Verfassungsbeschwerde eingelegt

taz-Mitarbeiter Gast hat jetzt gegen diesen Beschluß Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er argumentiert, daß mit der zunehmenden Auslagerung von Funktionen in der Zeitungsproduktion nicht nur das Schreiben von Artikeln, sondern auch wesentliche Tätigkeiten wie das Diskutieren, Einschätzen und Beurteilen von journalistisch interessanten Vorgängen an Mitarbeiter außerhalb der Redaktion übertragen wird. Presserechtlich dürfe es keinen Unterscheid machen, ob er sich in der Zentralredaktion oder in dem ausgelagerten Büro befinde. Beides seien Geschäftsräume im Sinne der Vorschriften der Strafprozeßordnung zum Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 97f.). Andernfalls würde mit der Auslagerung von Arbeitsplätzen auch wichtiger presserechtlicher Schutz verlorengehen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Snowden und die große Datenmisshandlung

Zehn Jahre nach Beginn der bedeutenden Enthüllungen über die globale Überwachung durch Geheimdienste ist die journalistische Auswertung der von Edward Snowden bereitgestellten Dateien unbefriedigend. Große Medien haben sich dem Druck der betroffenen Regierungen gebeugt und die Auswertung der Dokumente abgebrochen oder sogar behindert.
mehr »

Löschen nur bei Falschangaben

Suchmaschinen müssen fragwürdige Artikel nur dann löschen, wenn die Betroffenen Falschangaben belegen können. Dabei sind Google und Co. nicht verpflichtet, selbst in solchen Fällen zu ermitteln und von sich aus auf die Betroffenen zuzugehen. Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 23. Mai eine wichtige Entscheidung zum so genannten Recht auf Vergessenwerden gefällt. Wer sich verleumdet sieht, muss also selbst aktiv werden. 
mehr »

Fenster zur Welt: RAW Photo Triennale

In ihrer vierten Ausgabe zeigt die RAW Photo Triennale Worpswede unter dem Thema „Turning Point. Turning World“ noch bis zum 11. Juni die Welt im Wandel. In den vier Häusern des Worpsweder Museumsverbundes gibt es vier Hauptausstellungen: „#EGO“ bietet künstlerische Positionen im Dialog, die von der Suche nach sich selbst erzählen. Bei „#FAKE“ geht es um die Suche nach Wahrhaftigkeit. „#NEXT“ dreht sich um aktuelle sozioökologische Fragestellungen und „#RISK“ verhandelt aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. Festivaldirektor Jürgen Strasser über die Schau und den Mythos Worpswede.
mehr »

Dreyeckland: Der Link ist rechtens

Das Landgericht Karlsruhe entschied gestern, die Anklage gegen einen Redakteur des Senders Radio Dreyeckland (RDL) nicht zuzulassen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, in einem RDL-Artikel auf die Archivseite der verbotenen Plattform linksunten.indymedia verlinkt und damit eine verbotene Organisation unterstützt zu haben. Das Gericht entschied nun, dass die Verlinkung Teil der journalistischen Aufgaben sei und daher keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.
mehr »